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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Vielleicht gingen seine Wurzeln nicht in solch tragende, dunkle Tiefen, aber dieser hier war präsenter und schärfer; er grub sich stärker ins Leben und ins Jetzt.
    Mit Macht musste sich Auric vom Anblick der Festung abwenden, so als habe sich ihr Bild an ihm festgesaugt. Er durfte sich nicht von solchen Empfindungen bannen lassen. Er blickte über seine verstreut rastende, abgerissene und zerschundene Schar. Erschöpfung und der Schrecken des vergangenen Erlebten spiegelte sich in ihren Gesichtern. Aber auch Hoffnung, wenn ihre Blicke sich mit seinem trafen.
    Er musste diese Leute hier rausbringen.
    Es dauerte noch gute zwei Stunden, bis die Sonne sinken würde. Bis dahin konnten sie noch ein gutes Stück Weg entlang des Flusses schaffen.

    Kudai saß auf einem Wurzelstrunk und zog sich seine lehmverbackenen Stiefel aus.
    „Es ist immer das gleiche“, grinste er. „Hast du Scheiße an den Stiefeln, hast du Scheiße an den Stiefeln.“
    Sie hatten schließlich ihr Nachtlager ein Stück abseits des Flusses aufgeschlagen, auf einem Flecken weniger dichten Bewuchses. Sie brauchten Schlaf, und wenn es nur ein paar Stunden waren – so viel war richtig. Doch außerdem war es zu gefährlich im Stockdunkel des Waldes weiter zu marschieren, jetzt wo sie sich den bewachten Grenzbereichen des Beckens näherten. Zwar hätte man auch andererseits annehmen können, dass die Dunkelheit beim Passieren der Wachbastionen sich zu ihren Gunsten auswirken konnte, doch aus einer dunklen Ahnung heraus mochte Auric nicht wirklich glauben, dass die Dunkelheit der Nacht für die Kinphauren als Beeinträchtigung der Sicht ähnlich unüberwindlich war, wie für sie selber. Um auf diese Annahme ihr aller Leben zu setzen, hatte er schon zu viel von ihren geheimnisvollen Fertigkeiten gesehen. Er war jedoch entschlossen, beim ersten Schimmer von Tageslicht seinen Trupp zum Aufbruch zu treiben.
    Nachdem er die Aufgaben verteilt hatte, setzte er sich selber auf einen Wurzelstrunk und zog, um seinen Kopf zu klären, die zerlesene und abgenutzte Ausgabe Torareas Aufgang und Untergang aus ihrem Versteck zwischen Gürtel und Lederpanzer. Sie war während des ganzen Kvay-Nan-Feldzugs bei ihm gewesen, an seinem Körper, und immer wieder in Momenten der Ruhe, selbst in den seltenen Minuten einer Pause in den schlimmsten Gefechten, hatte er sie zur Hand genommen, sie aufgeschlagen und darin gelesen, um sich in all dem jener anderen Welt zu versichern, die weitab des ganzen Wahnsinns von Elend und Morden existierte, der Welt der Worte, Sätze und Geschichten, jener Welt, die er in seiner Kindheit als den magischen Baum, der auch im Winter blüht, kennengelernt hatte. Er nahm den Packen mit Bedacht in seine Hände und wickelte das zerschlissene Buch sorgfältig aus seiner Ölstoffumhüllung aus. Als er davon kurz aufblickte, fiel sein Blick auf den kleinen Kudai, der ein paar Schritt von ihm entfernt begonnen hatte, seine verdreckten Stiefel auszuklopfen.
    „Ja, du grinst“, warf er zu ihm hinüber. „Du grinst dir immer eins.“ Er machte eine nachdenkliche Pause. „Aber ich wette, unter deinem Grinsen verfluchst du den Tag, an dem du den verdammten Anwerbevertrag der idirischen Armee unterschrieben hast. Und du verfluchst mich, weil ich es war, der dir den Wisch unter die Nase gehalten hat. Tut mir leid, dass ich dich in diese ganze Scheiße reingeritten habe, die du jetzt an den Stiefeln hast.“
    „He, Korporal“, Kudai zog spöttisch den Mundwinkel hoch. „– Valgare, tickst du noch sauber? Dieser Dienstkontrakt war genau die Chance, auf die ich gewartet habe.
    Ich bin aus Yirkenien weggegangen, weil ich es zu etwas bringen wollte. Ich konnte das ganze Elend und die Unterdrückung, die ganze verdammte Sklaverei unter der meine Eltern leben mussten, nicht mehr ertragen. Ja, genau, Schwarzer: Sklaverei. Yirkenien ist zwar ein föderierter Staat und muss damit offiziell anerkennen, dass Sklavenhandel und Sklavenhaltung illegal sind, aber die Realität ist, in einem föderierten Staat tropfen die Wasseruhren anders als in einer echten idirischen Provinz. Papier ist geduldig; die können so viele Erlasse unterschreiben, wie sie wollen. In der Praxis wird stillschweigend ein alteingebürgertes Herrschaftssystem gepflegt, das für mich verdammt nochmal keinen Deut anders aussieht als die gute alte Sklaverei.
    Hat dein Vater dich jemals auf den Schultern getragen?“
    Auric antwortete ihm nicht, blickte ihn nur stumm und ernsthaft an.
    „Klar hat

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