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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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auch des Nachts, ganz anders als jener Wald im Norden, der auch den Bannkreis um eine Feste gebildet hatte. Und wo Leben seinen Platz und seine Pfade fand, da war es auch für sie möglich, Wege zu finden, solche die hinaus führten, ohne dass einem das Herz in der Brust zu Eis erstarrte und der schwere Mühlstein von etwas Altem, Gleichgültigen, das sich den Tod nur zum Knecht nahm, einen erdrückte, zermalmte und dann verschlang wie der Bernstein die Fliege.

    Doch dann kam die Nacht, und die Festung begann zu singen.
    Er war in einen schweren, unruhigen Schlaf gefallen, in dem Felsbrocken ruhelos umher rollten und grollend und knirschend gegeneinander wälzten, als ein eisscharfes Messer ihn durchbohrte.
    Jhipan-Naraúk stahl sich in seinen Schädel und kreischte sich durch abgerissene, atemlose Motivfetzen, fragmentarische Notenfolgen, die sich, wie vereister Stacheldraht durch lebendes, fühlendes Fleisch, in mitleidlose, luft- und seelenleere Höhen emporfrästen, in abgerissener, kaltschnäuzig machtgeiler Ekstase. Sie weckte damit Bilder in seinem Geist, die in irrer Folge vorbei flackerten und die er zu kurz sah, um sie wirklich erkennen zu können. Sie blitzten in arktischem Weiß und selbst die klirrenden Schemen reißender Ungeheuerlichkeiten, die er nur erahnte, ließen ihn erkennen, dass sie aus Bereichen stammten, die nicht für Menschen bestimmt waren und wo deren Seelen mit kalter Achtlosigkeit auf Haken gespießt wurden, um dann von den Ungeziefern dieser Orte geschändet und zerrissen zu werden. Er fühlte die Macht dieses Gesangs wie eine Schattenwelle durch seinen Geist rollen, und er fühlte sich darin ertrinken. Er spürte wie ein geheimer Tiefensog an ihm zerrte und in ein brodelndes Dunkel ziehen wollte, in dem es für seinen Verstand keine Hoffnung gab, in dem er zersetzt und zerfressen würde, um wie Planktonfetzen hinab in ein schwarzes Nichts zu treiben.
    Er sah sich seinen Körper mit einer Kette aus blauen Klumpen schmücken, die er aus dem aufgeschnittenen Bauch eines Toten zog, und mit Herzen sein Haupt krönen. Ein Himmelskörper, fern am Rand zur letzten Leere des Wirklichen Abgrunds glühte in dunklem Rot und sah ihn an wie ein durchbohrendes Auge. Und die Festung sang dazu.
    Hochfahrend und mit den Armen wild um sich schlagend wachte er auf.
    Er erwachte in einen flachen, schwülen Sumpf der Unruhe hinein. Eine Aura erstickter Hysterie loderte ringsum.  
    Mit einem panischen Blick um sich herum erkannte er die in der Finsternis schemenhaften Gestalten seiner Truppgefährten, die sich wälzten und bäumten, als hätte ihnen jemand ein toll machendes Gift verabreicht. Arme griffen ziellos in die Dunkelheit aus, Schläfer schlugen um sich. Die Festung sang auch zu ihnen.
    Vom Rand der Lagernden her hörte er Knurren und ersticktes Grunzen, die Geräusche verbissenen Ringens. Als er dorthin stürzte, musste er mit äußerster Gewalt zwei Wachen auseinander bringen, die schon alle möglichen Gefechte zusammen überlebt hatten und am Tage waren wie Brüder. Jetzt versuchten sie einander in zähem, verzweifeltem Hass zu erwürgen.
    Die steinerne Faust der Kinphauren hatte den Wahnsinn in ihre Hirne geschickt.
    In dieser Nacht bekam er keinen wirklichen Schlaf mehr. Halluzinierende Verwundete mussten beruhigt werden, andere mussten von mehreren Männern niedergehalten werden, damit sie nicht gewalttätig wurden. Weitere, verwirrte Kameraden mussten vor dem Durchdrehen bewahrt werden. Und außerdem: Wer wollte schon in den Schlaf zurückkehren, wenn er mit diesem irre machenden Gesang auf einen wartete?
    Als schließlich der erste milchige Schimmer des Morgens zwischen die Bäume sickerte und der letzte aus zermürbender Ohnmacht zum Aufbruch geweckt wurde, sah er einen Haufen graugesichtiger, hohläugiger Gestalten, den Schatten getriebenen Irrsinns im Blick.

    Der Befehl hatte gelautet, sobald nur eine Spur der Grenzbastion in Sichtweite kam, sobald man auch nur das geringste Anzeichen von Patrouillenaktivitäten bemerkte – was auf eine Annäherung an die stärker bewachte Randzone hindeutete –, dies schnellstens zu melden.
    Einer der Spähtrupps war nicht zurückgekehrt.
    Auric hatte sofortigen Befehl an die ganze Kolonne gegeben, sich rasch in südlicher Richtung vom Flussbett zu entfernen. Er glaubte, dass sie auf eine jener Bastionen zuhielten, die mit ihren Armbrustbatterien den gesamten Fluss und dadurch, dass große Schneisen in den Urwald geschlagen worden waren, auch einen

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