Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
gefragt.
„Der Unterschied ist der“, antwortete er daher Fianaike, „dass wir bei der Vorbereitung unserer Aszension in den feineren Reichen wirken. Unsere physischen Körper sind meist noch hier, unsere feineren Leiber und der größte Teil unseres bewussten Erlebens sind dort. Wir wirken in die feineren Reiche hinein, und natürlich hat unser Wirken in den Reichen jenseits bloßer Materie auch subtile und langfristige Konsequenzen zurück in die materielle Welt. Aber sie sind nicht unmittelbarer Art.
Doch bisher konnten wir keine bewussten Wirkungen aus den Zwischenschichten heraus in die physische Welt erzeugen. Oder nur, in einem äußerst abgeschwächten Grad, durch das Reproduzieren überlieferter Anleitungen, wie bei unseren Webmustern. Bei dem was wir hier erforschen, sind wir ganz in der materiellen Welt mit dem Blick in die feineren Reiche und erzeugen unmittelbar über ihre Schichten Phänomene in die physische Welt zurück. Statt nur zu wirken, lernen wir zu handeln. Diese Brücke, diese Handhabe ist es, was uns bisher verschlossen geblieben ist.“
„Bis zu dem Zeitpunkt, wo du während des Kampfes mit dem Kunaimra aus einem Reflex heraus in die Zwischenschichten gegriffen hast“, schaltete sich Béal von der Seite her ein. „Wenn wir dies hier lernen, wenn es uns gelingt dieses unbekannte Gebiet zu meistern, muss es uns doch auch möglich sein, unsere alten Fähigkeiten in der Handhabung von Waffen wiederzuerlangen. Wie sollen wir einer Bedrohung aus der Welt dort draußen entgegentreten, wenn wir es verlernt haben zu kämpfen.“ Er sah Darachel mit einem Blick an, in dem etwas anderes aufblitzte als ein reines Interesse einer Notwendigkeit gegenüber.
Cedrach und Bruc waren ebenfalls hinzugetreten.
„Was erzählt er so, dieser Menschenmann?“, fragte Cedrach jetzt. „Er war doch Soldat; hat er etwas zu berichten, was uns helfen könnte, uns gegen mögliche Gefahren zu wappnen?“
„Ja“, meinte Béal, „könnte er uns nicht in den Techniken des Schwertkampfes unterrichten?“
„Gewiss könnte er das“, antwortete Darachel. „Wenn er in seinem Zustand fechten könnte. Aber ihr habt ihn gesehen. Er ist nicht einmal in der Lage alleine zu stehen. Und daran hat sich seit eurem Besuch leider nichts geändert.“
„Aber er könnte uns doch alle darin unterrichten“, warf Fianaike ein, „wie es draußen in der Welt zugeht. Dazu wird er doch trotz seines Zustandes in der Lage sein. Und es ist Wissen, dass wir brauchen können.“
„Darin wirst du mit Cenn-Vekanen im Widerstreit stehen, der das alles nur für eine Ablenkung von den Bemühungen um unsere Aszension sieht“, meinte Darachel mit einem ironischen Lächeln. „Wir sollten vorsichtig sein, nicht seine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.“
„Wir sollten tatsächlich vorsichtig sein“, sagte Bruc trocken über Cedrachs Schulter hinweg. „Langsam hören wir uns an wie Verschwörer.“
Das Lied der schwarzen Festung
Der Fluss kam plötzlich in Sicht, und fast wäre der erste ihres Trupps direkt hineingestürzt. Mit rudernden Armen stand Jenric von dicht wucherndem Gestrüpp gerahmt an der Kante eines steilen Abhangs, der ohne Uferstreifen in die trüb braunen Wasser abfiel. Er fand sein Gleichgewicht wieder und wandte sich fluchend und mit einem Schubs gegen dessen Brustharnisch zu seinem Hintermann um, der ihn fast in die unter ihm gurgelnden Fluten hineingeschoben hätte. Danach aber war die Welle der Erleichterung, die durch den Zug ging, als sich langsam verbreitete, dass sie ihr Zwischenziel endlich erreicht hatten, fast körperlich spürbar.
Auric nahm den Helm ab, strich sich über seinen verschwitzten geschorenen Schädel und grinste zu Jag zurück, der ihm im Vorbeigehen seine Pranke auf die Schulter schlug.
Nicht nur ihre eigenen Armbruststellungen hatten schon vor einiger Zeit aufgehört zu feuern, auch das Bombardement mit Feuerbällen aus Richtung der Elfenfestung war jetzt auf dem letzten Stück ihres Weges ausgeblieben. Wahrscheinlich weil kein gegen die Festung vorrückender Trupp mehr die Signale des Alarmsystems auslöste. Alles was an idirischen Truppen noch lebte, versuchte sich irgendwie unauffällig abzusetzen.
Auric war sich ziemlich sicher, dass es diese Alarmsysteme tatsächlich gab. Die Bombardements waren so koordiniert und genau gekommen, wie kein Ausguck von den Festungwällen allein sie hätte lenken können. Verdammt, von oben in der Festung aus gesehen konnte man wahrscheinlich
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