Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ninragon - Homunkulus

Ninragon - Homunkulus

Titel: Ninragon - Homunkulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
Vom Netzwerk:
sie kurz einen Moment schweigend an – fast hatte sie ein feines Lächeln erwartet, doch das kam dann doch nicht –, und dann sagte er es ihr.
    Die Schatten öffneten sich um sie, als die Umrisse der Ruinen zu beiden Seiten hin zurückfielen. Abgeschnitten durch die dunkle Wand des Klippenfalls zur Rechten breiteten sich die ersten Straßenzüge von Sinterfarn vor ihnen aus.
    Den Rest des Weges ritten sie schweigend. Choraik begleitete sie noch bis zu den ersten Häusern. Dann nahmen sie Abschied und Choraik ritt die Straße, die sie gekommen waren, wieder zurück, wieder auf den Hohlweg der Ruinen zu.
    Sie blickte ihm noch eine Weile nachdenklich hinterher, und nahm dann schließlich ihren Weg wieder auf.

15
    Es war ein leeres Gebäude. Das sah sie jetzt.
    Die große Halle der Schmiede, heute zum größten Teil ungenutzt, das kleine Wohngebäude klebte eigentlich nur daran wie ein kleiner Auswuchs.
    Und doch war es das Heim ihrer Familie. Mit deren Seele war es ausgefüllt.
    Sie hatte ihr Pferd angehalten, um in ihrer Vorfreude den Anblick der Schmiedeburg für sich auszukosten. Sie sehnte sich danach, ihre Familie zu sehen, sie sehnte sich danach mit Klann zu reden, sich mit ihm auszutauschen. Er war ein guter Zuhörer. Und das, was er sagte hatte immer Hand und Fuß. Es ging so viel mehr hinter dieser hohen, kantigen Stirn vor, als sein Mund nach draußen dringen ließ. Das arbeitete und ordnete, und wenn etwas von diesen Gedanken über seine Lippen drang, dann in einer knappen, verdichteten Form, wie dicker, eingekochter Sud. Klann war ein guter Ratgeber. Seine Meinung, so wie er sie äußerte, hatte Gehalt. Sie wollte all dieses wirre Zeug in ihrem Inneren herauslassen, all ihre Gedanken über diese ganze verdammte Zwickmühle, in der sie saß. Banátrass, var’n Sipach, die Pläne mit der Miliz, die Sache mit den schmutzigen Drogen und dass man sie davon fernhalten wollte. Was sie in diesem Job überhaupt noch machte. Was das alles noch mit dem zu tun hatte, was sie sich damals mit Khrival geschworen hatte. Ob es einen Weg gab, da irgendwie herauszukommen. Klann würde Rat wissen. Oder ihr zumindest einen Hinweis auf etwas geben, das sie bisher übersehen hatte. So war das immer.
    Ihr Schmied würde wissen, was zu tun ist. Er würde ihr etwas Kurzes, Knappes sagen, und sie würde eine Stunde drüber rumgrübeln, aber dann würde sie den Sinn sehen. Ihre Entscheidung vor fünf Jahren war die richtige gewesen.
    Als sie den Weg zwischen den vereinzelt liegenden Gebäuden, den Obstgärten und Brachen im vergrauenden abendlichen Licht entlanggeritten war, hatte das unbändige Verlangen erst wirklich Gestalt angenommen, das sich über die ganze Zeit, während sie in harten Kojen in Milizquartieren ihre Nächte verbracht hatte, allmählich in ihr geformt hatte. Das sie registriert hatte, als ihr klar wurde, dass jetzt mit dem Untergang der Firnwölfe der Weg zurück frei war, das sie aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich erfüllen konnte.
    Jetzt, wo sie durch den Norden von Sinterfarn ihren Weg nahm, griff es in ihr Raum. Mit jeder bekannten Wegmarke, jeder halb verdeckt hinter Bäumen zurückliegenden Kate, jedem alten backsteinernen Manufakturgebäude, das von seinen Betreibern verlassen worden war und nun Familien ein Heim bot, mit jedem Tor eines Hofes, spürte sie mehr das Verlangen, das sie wie an einem langsam sich aufspulenden Faden auf das Bauwerk zuzog, von dem sie wusste, dass ihre Familie dort auf sie wartete. Vorbei an den Segarian-Höfen, vorbei an dem baumgesäumten Pfad, der zu Kestarns Haus führte. Wahrscheinlich hatten Bernim und Liova heute wieder gemeinsam mit Kestarns Kindern den Tag mit wunderbaren, abenteuerlichen Spielen zugebracht. Kestarns Erstgeborener war etwas älter als Liova und er war sehr fürsorglich und gewissenhaft, so dass man ihm die Aufsicht über die kleine Rotte von Unterhüfthohen übertragen konnte. Mit jedem Wegstück, das sie ritt, wurde das Verlangen und gleichzeitig die Erleichterung größer.
    Sie war auf dem Weg nach Hause. Sie konnte wieder zu ihrer Familie zurück.
    Und jetzt lag der schroffe Klotz der Schmiedeburg vor ihr, fast nur noch ein Umriss im versiegenden Licht.
    Beide Hände auf das Sattelhorn gestützt blickte sie zu ihm hinüber. Die Bäume, die sich eng zu beiden Seiten an die Flanke der Schmiedehalle anschlossen, bildeten einen dichten, kleinen Hain, der den Blick auf jenen Flussarm der Vlichten abschirmte, der unmittelbar entlang des Hauses

Weitere Kostenlose Bücher