Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ninragon - Homunkulus

Ninragon - Homunkulus

Titel: Ninragon - Homunkulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
Vom Netzwerk:
Selbst in dem Kreis ihrer Mauern.«
    Er deutete über die Dächer hinweg auf die düster aufragenden Turmtrümmer.
    »Schauen Sie sich diese Ruinen an. Diese Stadt war einst etwas anderes, sie trug einen anderen Namen. Und diese ältere Stadt durchwuchert heute Rhun, egal ob Sie das noch sehen oder nicht. Diese Ruinen hier sind noch der deutlichste Zeuge. Hier tauchen die alten Scherben aus dem Untergrund auf. Und diese versunkene Stadt war Teil von etwas Altem, Größeren, von einer älteren Welt. Sie sehen, die Welt, Sie holt sie immer ein, selbst wenn Sie beschließen sollten, sich niemals aus dem Kreis der Straßen von Rhun hinauszubewegen.«
    Sie waren um die letzten Häuserfronten herumgeritten und hatten den Ausblick auf die Ruinen jetzt ganz und unverstellt vor sich.
    Wie das Maul eines zackigen, gewaltigen Hohlwegs lagen sie vor ihnen. Oder wie die Schale eines gewaltigen Eis, das in der Mitte geborsten und dessen Hälften zu den Seiten weggebrochen waren. Der Weg, den sie nahmen, war wie eine breite Scharte darin hineingehauen, der kleinere, niedrigere Teil der Ruinenformation zu ihrer Linken, die großen zerbrochenen Türme und Anlagen rechts von ihnen, vor dem Sturz des Galgenbugs.
    Danak suchte nach etwas, was sie Choraik erwidern sollte, aber jeder mögliche Gedankenfetzen entglitt ihr vor dem Anblick der Ruinen. Sie sprachen für sich, und, ach was soll’s, sie musste nicht immer das letzte Wort behalten. Sollte der Renegat doch seine Ansichten hegen. Ihr war es egal.
    Langsam und schweigend ritten sie auf den Hohlweg zwischen den Ruinen zu. Dies war die Passage nach Dinterfarn, das Maul der alten Zeit, das derjenige passieren musste, der den Anstieg über den Wall der höher gelegenen Stadtviertel vermeiden wollte.
    Schatten zogen sich in den sie riesenhaft überragenden Scherbenresten des alten Tryskenon zusammen, dunkle Dämmerseen, von der Präsenz des sich türmenden, uralten Mauerwerks angesogen. Das Krächzen von Vögeln zog seine Schleier um die Schalen zerbrochener Steintitanen. Flügelschlag stieg von den Mauerresten auf, sammelte sich in grauem Strudel und zog unter hundertfachem Flattern und Kreischen über sie hinweg, wie ein wimmelnder, bebender Rauchschwaden.
    Choraik sah mit ihr dem fliehenden Vogelschwarm nach.
    Wie der Rauch, der von Khrivals Scheiterhaufen aufstieg und vom Wind weggetrieben wurde.
    Bei der Erinnerung senkte sich der Schatten erneut über sie, legte sich wie eine Klammer um ihr Herz. Der Schmerz war dumpf und drückend, nicht länger so schrill und roh, wie an den Tagen danach. Doch lag er jetzt umso schwerer auf ihr. Wie die sich vertiefenden Schatten dieser riesenhaften, vorgeschichtlichen Stadt. Er lag auf ihr wie die Last eines ganzen toten Lebens.
    Der Weg durch diese Ruinen war der Weg zu Klann und ihren Kindern. Sie waren jetzt geradewegs in ihrer Mitte. Die Dunkelheit von uraltem, zerborstenen Mauerwerk bedrängte sie von beiden Seiten her und schien auf sie einzustürzen. Die letzten Häuser lagen für sie unsichtbar in ihrem Rücken, die ersten Lichter von Sinterfarn waren dort hinter der Klippe noch nicht sichtbar. Sie kam sich vor wie weit entrückt von der Welt, die sie kannte, in einem auf sie eindrängenden Schattenmaul, ohne einen Zeugen als die Wolkenfetzen an einem ausdunkelnden Himmel, aufflatternden Vögeln und der selbsternannten Eskorte an ihrer Seite.
    Histan tot, Sandros ein Verräter. Wen hatte sie? Wem konnte sie es mitteilen, der noch zählte. Auf wem konnte sie es abladen?
    Was war sie kurz davor zu tun?
    Was machte es für einen Unterschied?
    Sie blickte zur Seite und sah Kinphaurentinte, die über die von den Wangenknochen gespannten Haut abwärts verlief. Wer könnte ihr schon fremder sein?
    »Sie haben mich nach meiner Familie gefragt. Nach meinen Kindern. Nach meinem Mann.«
    Der Mond hing bleich und noch ohne Glanz im allmählich sich zur Nacht hin entfärbenden Dunst. Wie der Rauch seines Scheiterhaufens. Choraik erwiderte ihren Blick und wartete. Geduldig.
    Sie schluckte, versuchte damit die Enge in ihrem Hals wegzudrücken, damit ihre Stimme nicht farblos und flach klang und ihr wegsackte.
    »Der Mann, der starb, am Tag bevor Sie in unseren Kader kamen«, sagte sie. Der Satz kam zügig und forsch hervor. So wie der Anfang eines wohldurchdachten Einsatzplans. »Er hieß Khrival Nemarnsvad, und er kam aus Vorsekk.«
    Seine Augen hielten ihr hohles Starren.
    »Ich war nicht als sein Ersatz vorgesehen«, erwiderte er. »Aber ich habe

Weitere Kostenlose Bücher