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Ninragon - Homunkulus

Ninragon - Homunkulus

Titel: Ninragon - Homunkulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Brachland trugen. »Hast du so etwas schon einmal erlebt?«
    Chik und Histan kamen aus dem Gemäuer und trugen gemeinsam die Leiche von Khrival, aufgebahrt auf einem Deckel der beschlagnahmten Kisten.
    »Ja«, antwortete Danak Mercer, »hab ich. Im Krieg.«
    Im Krieg hatte Vorna Kuidanak auch Khrival Nemarnsvad kennengelernt.
    Es war in einem kleinen, dreckigen Krieg gewesen, der jetzt über den großen Auseinandersetzungen, in denen das Idirische Reich gegen den Ansturm des gewaltigen Heeres der Nichtmenschenallianz um seine Existenz kämpfte, längst in Vergessenheit geraten war.
    Es war ein Feldzug im Nordwesten, in Mittelnaugarien, jenseits der Drachenrücken. Aber Krieg war Krieg, und Krieg war immer dreckig, egal, was man sich an hehren Gründen und Rechtfertigungen zurechtbastelte.
    Damals war’s so:
    Ein Dieb und Landräuber hatte ganz Baraun unter Kontrolle gebracht und somit den selbstzugelegten Adelstitel aufpolieren können. In seinem Größenwahn warf er gierige Blicke auf Norgond. Das war zwar eigentlich idirische Provinz, aber Idirium war weit hinter den Drachenrücken. Eine Bande von Dieben und Landräubern mit selbstzugelegten Adelstiteln aus dem benachbarten Anvergain und Balthruk, redete ihm dabei heftig zu und versprach Unterstützung. Das alte Spiel: Wir hetzen dich auf den gemeinsamen Feind, mal sehen was passiert. Gehst du unter, heimsen wir die Überreste von deinem Besitz gleich mit ein.
    Eben das übliche Phalanxspiel um Macht und Territorium.
    Die eigene Bande von Dieben und Landräubern in was-weiß-ich-wievielter Generation, an denen die Adelstitel mittlerweile wie Dreck festgebacken waren und die ihren hocheigenen Misthaufen mit einer Verfassung und republikanischem Schnick und Schnack bemäntelt und »das Idirische Reich« genannt hatten, konnte natürlich nicht zulassen, dass man sich ihr Land so einfach unter den Nagel riss. Also schickten sie ihre Armee aus. Oder heuerten andere an, um die Drecksarbeit für sie zu erledigen. Niemand pinkelte da, wo die eigene Meute gepinkelt hatte.
    Es ging immer um Macht und Raubtierbedürfnisse, auch wenn die Strauchdiebe sich inzwischen das Gewand der Zivilisation um die Schultern gelegt hatten.
    Unterdrückung und Herrschaft wandelt sich und passt sich an. Aber der Ursprung bleibt derselbe und ihre Natur ebenfalls. Und die Verachtung.
    Und von dieser Verachtung hatte sie genug in diesem Krieg gesehen.
    Ihre Einheit war auf ihren Märschen im Nordwesten durch ein zerstörtes Dorf nach dem anderen gezogen. Sie sahen alle gleich aus. Nichts, woran sie erkennen konnte, auf welcher Seite der Grenze man war. Den Toten sah man auch nicht an, ob es Norgonder oder Baraunleute waren, ob man für ihre Freiheit als Bürger einer zivilisierten idirischen Provinz gefochten hatte oder gegen sie als Angehörige eines mordlüsternen, ungebildeten Barbarenvolkes. Sie sahen einfach nur tot aus.
    In einem dieser Dörfer hatte sie Khrival getroffen.
    Ihre Einheit hatte nicht weit von dem Dorf ihr Lager aufgeschlagen. Dasselbe zweckmäßige idirische Standard-Feldlager wie immer, egal, wo man es auch aufschlug. Alle anderen hingen in dessen genormter Sicherheit bei Würfelspiel, Wein und Lagerfeuer ab. Sie selber hatte dieses seltsame, untergründig rumorende Gefühl im Bauch, und das hatte sie dazu gebracht, sich dem Dorf zu nähern.
    Eine mächtige Eiche stand am Eingang der Ansammlung von Häusern und dünne Rauchschleier strichen wie Fahnen an ihrem weit ausgreifenden Umriss vorbei. Als sie ihren Schatten passierte, stob aus dem Dunkel des Geästs mit einer Salve peitschenden Flatterns ein Schwarm von Aasvögeln auf, der krächzend in der Weite von Rauch und Regendunst sein Heil suchte. Sie blickte hoch und sah aus der dunklen Kuppel der Krone ein Spalier makaberer Früchte herabbaumeln. Von den Ästen hing an Stricken eine Anzahl ehemaliger Dorfbewohner herab, jetzt nur noch starre Fleischbeutel, an denen die Vögel ihr grausames Mahl begonnen hatten. Wie geschlachtete, in einer Reihe aufgehängte Hühner.
    Die Häuser schwelten noch, die Leichen lagen wahllos verstreut. Eine Frau lag bäuchlings mit eingeschlagenem Schädel in einem Schweinetrog, Arme und Beine baumelten zur Seite heraus. Die Leiche ihres Kindes lag von ihrem Leib halb bedeckt unter ihr. Die zum Trog gehörenden Schweine waren allesamt verschwunden; eine Armee brauchte Proviant. So blieb ihr das Nebeneinander dessen, was Schweine mit Leichen anstellen und was Menschen ihresgleichen antun,

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