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Ninragon - Homunkulus

Ninragon - Homunkulus

Titel: Ninragon - Homunkulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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erspart.
    Die Leichen lagen eingesunken und waren teilweise schon verbacken mit dem Schlamm. Der dünne Regen hatte es nur unzureichend geschafft, das Blut von ihnen wegzuwaschen. Knochen waren gebrochen, Schädel zertrümmert, egal ob Mann, ob Frau, jung oder alt. Man hatte zerschlagen, zerbrochen und zertrümmert, was vorher fühlendes Leben war, Kampf ums Dasein, Liebe und Fürsorge für die Seinen, eine Behausung aus Fleisch und Knochen für Ängste, Hoffnungen und Träume.
    Einige hatten versucht, aus den brennenden Häusern, in denen sie zunächst Zuflucht gesucht hatten, zu entkommen. Ihre Körper hingen von Spießen zerstochen und halb verkohlt aus den Fenstern heraus.
    Im Krieg wurde jeder schuldig; sie hatte es erlebt. Jeder, der in einen Krieg zog, bekam Blut an seine Hände und lud etwas auf sich, was unwiderruflich in seine Seele einzog. Es gab da keine Wahl, kein Entkommen. Wenn man einmal in diesem blutigen Irrsinn war. Kein hehres Ziel hält dich davon rein.
      Denjenigen, die Kriege beschlossen und sie führten, indem sie Unmassen von Menschen zum Sterben ins Feld schickten und sie Armeen nannten, waren die sich darüber im Klaren? Mordbilder flackerten durch ihren Geist, und es kamen keine Bauern oder Soldaten darin vor, sondern lauter Gesindel mit wohlgepflegten, in feine Stoffe gekleideten Körpern. Ihre Entscheidungen, ihre Eitelkeiten und Machtspiele. Hier endete das alles. Mit einem Haufen toter Kinder. Die blutigen Früchte ihrer Verachtung. Sie spürte, dass ihre Kiefermuskeln sich verspannt hatten und ihr Mund unkontrolliert zuckte. Sie ging zurück zum Platz zwischen den Hütten.
    Bei keiner der Leichen waren nennenswerte Waffen zu sehen. Nichts außer Dreschflegeln, Sensen und Knüppeln. Das hier waren keine Kämpfer gewesen, das hier waren die Leichen von Bauern. Hatten nichts anderes versucht, als sich um sich selber zu kümmern, um die täglichen Dinge des Lebens: Saat, Ernte, Kinder, harte Arbeit, Liebe, Hoffnungen. Ihr eigenes, kleines Leben, nicht das Getriebe der Welt dort draußen. Nur um die Ihren und ihre Bedürfnisse.
    Niemand hatte sie beerdigt. Keiner der Drecksäcke, der zu ihrem Heil Soldaten losschickte, nahm eine Schaufel in die Hand. Ihr Dorf war nicht dem Feind in die Hände gefallen; ein Erfolg, das Territorium war gesichert. Welcher Hohn. Ob ihre Leichen jetzt vor sich hinrotteten, war nur eine Fußnote.
    Grausig, aber normal im Krieg.
    Über dieses Dorf war eben nur eine Partie Phalanx hinweggegangen.
    Sie war die einzige Lebende, die zwischen den Häusern umherging. Sie kam sich dabei wie ein Geist vor, der diese Stätte der Gräuel heimsuchte.
    Eine Bewegung schreckte sie auf. Ihre Hand war zum Fechtspeer hin gefahren.
    Es war ein Riese von einem Mann gewesen, der mit versteinertem Gesicht aus einer Seitengasse kam, in der sie selber vorhin ein paar tote Kinder entdeckt hatte, und der vom Auftauchen einer weiteren lebendigen Seele genauso überrascht worden war wie sie. Er trug einen Lederharnisch mit aufgenähten Metallteilen, Schulterschutz; keine reguläre Uniform. Nur um seinen Kopf trug er ein Stirnband mit einem Emblem. Auffällig an ihm war der Schopf dicker, verfilzter Zöpfe von der Farbe dürrer, ausgebleichter Ähren, die ihm um den Kopf baumelten. Sein Gesicht war ihr damals vorgekommen wie aus Stein gemeißelt; vielleicht kam das von den Eindrücken, die er gerade in sich aufgenommen hatte.
    Seine Nasenflügel blähten sich, und er sah sie aufblickend aus toten Augen an.
    Sie erinnerte sich an die Söldnerbruderschaft, die ihr Lager neben dem ihren aufgeschlagen hatte. Vom Idirischen Reich angeheuert, an einem Ort die Drecksarbeit zu erledigen, an den man nicht schnell genug ausreichend Soldaten der eigenen Armee hinschaffen konnte.
    »Söldner?«, hatte sie ihn also gefragt.
    »Fardische Bruderschaft«, hatte er auf sein Stirnband deutend geantwortet. So hieß die Kompanie, in der er sich damals eingeschrieben hatte.
    Ihre eigene Zugehörigkeit bedurfte keiner Frage, sie war an ihrer Uniform deutlich genug zu erkennen gewesen.
    Dann waren beide verstummt, hatten nur weiter erstarrt ihre Blicke in gegenläufigen Kreisen über all das Leben schweifen lassen, das hier in Dreck und Grauen geendet hatte.
    »Für die hier hätten wir kämpfen sollen, nicht für die Arschlöcher in Idirium«, sagte Danak.
    »Sag mir, wie das gehen soll in dieser Welt«, hatte Khrival zurückgegeben.
    Als der Krieg zu Ende war, kehrte sie in ihre Heimatstadt Rhun zurück und

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