Ninragon - Homunkulus
Schädel einzuschlagen war sicher kein allzu guter Anfang.
Im Schatten der den Platz säumenden Bäume sah sie ein paar Gestalten hastig ihrer Wege ziehen. Früher einmal hatte hier zu dieser Tageszeit reges Markttreiben geherrscht, und die Miliz hatte streng darüber wachen müssen, dass zwischen all den Ständen auch die vorgeschriebene Breite der Zugangsgasse zum Milizhauptquartier eingehalten wurde. Heute reichte allein der Schatten der Druvernsburg, um das Händlervolk einen weiten Bogen um den Platz machen zu lassen.
Aus dem Kutschenfenster heraus versuchte sie, einen Blick auf die Außenfront von Kylar Banátrass Amtszimmer zu erhaschen, dort in den mittleren Stockwerken des höchsten Turmes. Auffällig genug war es ja mit dem Panoramafenster, das ihr neuer Hauptmann dort hatte einbauen lassen. Sie sah kurz die bleiche Wolkendecke gespiegelt auf dem von außen undurchsichtigen Reflex-Diaphanumglas, ein Streifen von Himmel in dem alten Mauerwerk, der sich über die ganze Ecke des Turmes hinzog. Teurer Spaß. Wahrscheinlich fühlten sich die Bürger, die das alles hatten bezahlen müssen, dadurch gleich viel beschützter und sicherer.
Dann tauchte das Gefährt auch schon in das Dunkel des von Kolonnaden gesäumten Torweges ein. Das Klappern von Hufen und Rädern in der Durchfahrt klang Sekunden lang gedrängt und hohl in den Innenraum des Wagens hinein, dann, als werde ein Korken aus einer Flasche gezogen, weitete es sich, brach sich frei. Der Wagen fuhr in den schachtartigen Schatten des Innenhofes ein.
Danak stürzte aus der Roscha und ihr Blick fiel auf ein zweites Gefährt, das im Hof abgestellt war. Ein Mann, stumm und starr, saß in einem langen schwarzen Mantel zusammengesunken auf dem Bock, so als wäre er lediglich ein Buckel des Gefährts. Die Fenster waren mit von außen dunklem Diaphanum verglast. Früher, wenn man solche Kutschen sah, wusste man, »die Kutte« war wieder unterwegs. Heute war Rhun nicht länger Hauptstadt der idirischen Provinz Vanareum. Die Kutte, als Geheimdienst des Idirischen Reiches, war hier im Herzen Niedernaugariens in den Untergrund gegangen und die Tracht, die ihr den Namen gab, wurde in Rhun nicht länger gesehen.
Sie wandte sich von der Kutsche ab, sah kurz mit zusammengebissenen Zähnen an der Flucht schmaler Fenster hoch, stürmte dann mit forschen, ausgreifenden Schritten in das Gebäude hinein und die Treppen hinauf. Zwei Stufen auf einmal, das kalte Lodern in ihren Eingeweiden trieb sie an. Khrival war tot. Sie wollte Antworten.
Banátrass Sekretär sah sie kommen, wollte ihr den Weg verstellten, sah dann aber den Blick in ihren Augen und ließ fahrig von seinem Vorhaben ab. Als sie die Tür von Banátrass Amtszimmer öffnete, erkannte sie, dass dieser sich gerade von einem Besucher verabschiedete. Beide blickten irritiert auf.
Die Kutsche, sie hätte es wissen müssen.
In einer Ecke regte sich etwas, hinter einem Mauervorsprung. Ihr Blick fuhr hinüber. Dort fiel ein diffuser, indirekter Schatten aus der Nische auf den Boden. Da war noch jemand anderes im Raum. Sie erspähte kurz den Saum roten Stoffes, der hinter der Mauerkante hervorlugte.
Der Besucher bei Banátrass war Kinphaure. Es hätte nicht der Gewänder bedurft - Scharlachrot und schwarz mit fremdartigen Ornamenten als Einbrennarbeiten durchsetzt, im typischen dreiteiligen ornathaften Schnitt –; das bleiche Gesicht allein, als wären die Züge aus Knochen herausgeschnitzt, das machte seine Herkunft unverkennbar. Die Nase wölbte sich wie ein Bogen zu den scharfgeschnittenen Nüstern hin, dunkle Augen, fast schwarz, durchbohrten sie ohne sichtbare emotionale Regung.
Banátrass erkannte sie; mit einem Seitenblick zuckte seine Hand hoch, stoppte sie, zwei Finger, ein Daumen nur erhoben. Danak hielt mühsam an sich. Nur der Anblick des Kinphauren ließ sie innehalten. Und der Gedanke an die Konsequenzen, wenn sie in diesem Moment ihrem Affekt nachgab.
Sie sah also zu, wie Banátrass sich in seinem pseudo-kinphaurisch geschraubten Idirisch von seinem hohen Gast verabschiedete. Gespreizten Zinnober wie man ihn wahrscheinlich in der Liturgie des Einen Weges lernte. Zusammen mit der Wendigkeit im rechten Moment die Seiten zu wechseln, wenn es Profit brachte. Hielt sie mit dieser affektierten Geste in Schach, als sei sie sein Lakai. Nach diesem Himmelfahrtskommando. Nach dem, was geschehen war.
Sie kamen schließlich zum Ende. Es gelang ihr nur mühsam ihren Atem unter Kontrolle zu halten. Der
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