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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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war. Ich habe ihm nicht Kwaheri  gesagt.«
    »Er hat dich wegfahren sehen, Bwana. Er blieb zu lange vor dem Haus stehen. Das Auto wurde immer kleiner. Am nächsten Morgen war Kimani tot. Im Wald war nur noch ein Stück von Kimanis Hemd.«
    »Das hast du mir nie gesagt, Owuor. Warum? Was ist mit Kimani passiert?«
    »Kimani wollte sterben.«
    »Aber warum? Er war nicht krank. Er war nicht alt.«
    »Kimani hat immer nur mit dir geredet, Bwana. Weißt du noch? Der Bwana und Kimani waren immer unter dem Baum. Es war das schönste Schamba mit dem höchsten Flachs. Du hast seinen Kopf voll mit den Bildern aus deinem Kopf gemacht. Kimani hat die Bilder mehr geliebt als seine Söhne und die Sonne. Er war klug, aber er war nicht klug genug. Kimani hat das Salz in seinen Körper hereingelassen und ist trocken geworden wie ein Baum ohne Wurzeln. Ein Mann muß auf Safari gehen, wenn seine Zeit da ist.«
    »Owuor, ich verstehe dich nicht.«
    »Owuor, ich verstehe dich nicht. Das hast du immer gesagt, wenn deine Ohren nicht hören wollten. Auch am Tag, als die Heuschrecken gekommen sind. Ich habe gesagt: die Heuschrecken sind da, Bwana, aber der Bwana hat gesagt: Owuor, ich verstehe dich nicht.«
    »Hör auf, meine Stimme zu stehlen«, sagte Walter. Er merkte, wie seine Hand von Rummlers Fell zu Owuors Knie drängte; er wollte sie zurückziehen, aber sie reagierte nicht mehr auf seinen Willen. Eine Zeitlang, die ihm sehr lange vorkam und in der er immer stärker die Wärme und Glätte von Owuors Haut fühlte, wehrte er sich gegen das Begreifen. Dann kam die Pein und mit ihr die Gewißheit, daß dieser Abschied schonungsloser war als alle, die ihm vorangegangen waren.
    »Owuor«, sagte er und trieb Beherrschung in seine frische  Wunde, »was soll ich der Memsahib sagen, wenn du heute nicht zur Arbeit kommst? Soll ich sagen: Owuor will dir nicht mehr helfen? Soll ich sagen: Owuor will uns vergessen?«
    »Chebeti wird meine Arbeit machen, Bwana.«
    »Chebeti ist nur eine Aja. Sie arbeitet nicht im Haus. Das weißt du doch.«
    »Chebeti ist deine Aja, aber sie ist meine Frau. Sie macht, was ich sage. Sie wird mit dir und der Memsahib bis Mombasa fahren und den kleinen Askari halten.«
    »Du hast nie gesagt, daß Chebeti deine Frau ist«, sagte Walter. Seine vorwurfsvolle Stimme erschien ihm kindisch, und er wischte sich verlegen den Schweiß von der Stirn. »Warum«, fragte er leise, »habe ich das nicht gewußt?«
    »Die Memsahib kidogo hat gewußt. Sie weiß immer alles. Sie hat Augen wie wir. Du hast immer auf deinen Augen geschlafen, Bwana«, lachte Owuor. »Der Hund«, fuhr er fort und sprach so schnell, als hätte er schon lange jedes Wort im Mund gehabt, »kann nicht auf ein Schiff. Er ist zu alt für ein neues Leben. Ich werde mit Rummler gehen. So wie ich aus Rongai fortgegangen bin und dann aus Ol' Joro Orok nach Nairobi.«
    »Owuor«, bat Walter müde, »du mußt der Memsahib kidogo Kwaheri sagen. Soll ich meiner Tochter sagen: Owuor ist fort und will dich nicht mehr sehen? Soll ich ihr sagen: Rummler ist fort für immer. Der Hund ist ein Teil von meinem Kind. Das weißt du doch. Du warst doch da, als sie und Rummler Freunde wurden.«
    Der Seufzer war wie das erste Pfeifen des Windes nach dem Regen. Der Hund bewegte ein Ohr. Sein Jaulen war noch in seiner Schnauze, als die Tür aufging.
    »Owuor muß fort, Papa. Oder willst du, daß sein Herz eintrocknet?«
    »Regina, seit wann schläfst du nicht mehr? Du hast gelauscht. Hast du gewußt, daß Owuor von uns fortgeht? Wie ein  Dieb in der Nacht.«
    »Ja«, sagte Regina. Als sie das Wort wiederholte, schüttelte sie den Kopf mit der gleichen leichten Bewegung, mit der sie ihren Bruder davon abhielt, im Hundenapf zu wühlen. »Aber nicht«, erklärte sie, während Trauer ihre Stimme schwer machte, »wie ein Dieb. Owuor muß fort. Er will nicht sterben.«
    »Herr Gott, Regina, hör auf mit dem Quatsch! An einem Abschied stirbt man nicht. Sonst wäre ich schon längst tot.«
    »Manche Leute sind tot und atmen weiter.«
    Erschrocken klemmte Regina ihre Unterlippe zwischen die Zähne, aber es war zu spät. Sie schluckte bereits Salz, und ihre Zunge hatte nicht mehr die Kraft, den Satz zurückzunehmen. Sie war so verwirrt, daß sie sogar glaubte, ihren Vater lachen zu hören, und traute sich nicht, ihn anzuschauen.
    »Wer hat dir so was gesagt, Regina?«
    »Owuor. Vor langer Zeit. Ich weiß nicht mehr, wann«, log sie.
    »Owuor, du bist klug.«
    Owuor mußte seine Ohren so

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