Nix als Ärger mit dem Kerl!
gehalten und deshalb agierte die fiktive Person jetzt völlig unharmonisch.
Entschlossen stieg Wilma aus der Datei, sicherte das Geschriebene und ging in den Garten hinaus. Jetzt erst fiel ihr auf, dass Droste schon eine ganze Weile drängelte und winselte.
"Wir waren doch erst vor zwei Stunden Gassi", meinte Wilma, während sie der Hündin über den Kopf strich.
Droste entzog sich der Berührung und eilte zur Terrassentür, wo sie stehen blieb und sich nach Wilma umschaute.
"Willst du mir etwas zeigen?" Neugierig folgte Wilma der Hündin, die jetzt schnurstracks an den Zaun eilte.
Und dann sah Wilma, auf was Droste sie unbedingt aufmerksam machen wollte. Der Nachbarjunge saß auf der Treppe und weinte leise vor sich hin.
Sofort war Wilmas Herz von Mitleid erfüllt.
"He, Kleiner!" Sie reckte sich, um über die Hecke schauen zu können. "Kann ich dir helfen?"
Der Kleine verstummte. Sein Kopf hob sich, große, tränennasse Augen blickten Wilma an.
"Hast du dir weh getan?" forschte sie weiter. "Nun komm doch, ich tu dir bestimmt nichts."
Der Kleine reckte den Hals. Ängstlich blickte er auf Droste, die mit hängender Zunge neben Wilma saß.
"Beißt der Hund?"
Wilma unterdrückte einen ungeduldigen Ausruf. Der Kleine stellte immer dieselbe Frage. Langsam musste er doch begreifen, dass Droste ein absolut harmloses Tier war.
Laut sagte Wilma.
"Warte, ich bringe Droste ins Haus."
Als sie wieder herauskam, stand der Junge am Zaun. Mit schmerzverzogenem Gesicht zeigte er auf sein Knie, das von einer hässlichen Schürfwunde verunziert wurde.
"Oh, das tut aber bestimmt sehr weh", stellte Wilma mitleidig fest. "Warte, da tun wir mal was drauf."
"Aber nichts was brennt", warnte Roger ängstlich, worauf Wilma lächelnd den Kopf schüttelte.
"Das brennt bestimmt nicht", versprach sie. "Warte, ich hole nur meine Apotheke."
Als sie zurückkehrte, hob sie den Jungen erst einmal über den Zaun, um ihn besser verarzten zu können. Wie versprochen, brannte das Desinfektionsmittel tatsächlich nicht. Der Kleine zuckte nicht mal mit der Wimper, als Wilma die gelbe Flüssigkeit auf die Wunde träufelte.
Anschließend klebte sie ein Pflaster darauf und dann war der größte Schaden schon behoben.
"Roger!" Die strenge, männliche Stimme ließ Wilma erschrocken zusammenfahren. "Was machst du denn da?"
Wilma richtete sich auf und sah den Mann an, der auf der anderen Seite des Zauns stand. Seine Miene drückte Ärger und Ablehnung aus. Aber das kannte Wilma schon. Ihr Nachbar schien kein besonders umgänglicher Mensch zu sein.
Sie sah zu Roger, der unter den Blicken seines strengen Vaters regelrecht in sich zusammenschrumpfte.
"Er ist hingefallen und ich habe die Wunde desinfiziert", erklärte sie schnell, bevor das Kind antworten konnte. "Keine schlimme Wunde, nur eine Abschürfung aber das tut am meisten weh."
"Meine Güte!" Simon Hartmann rang die Hände. "Wollen Sie aus meinem Sohn eine Mimose machen? Er ist schon pinzig genug. So eine kleine Schramme ist doch nun wirklich kein Grund, gleich den Rot-Kreuz-Kasten auszupacken."
"Ich wollte Ihren Sohn nur trösten", wehrte sich Wilma empört. "Im Übrigen sollte man jede noch so kleine Verletzung desinfizieren..."
"Ja, ja!" wurde sie von ihrem Nachbarn unhöflich unterbrochen. "Lassen Sie Ihre unerfüllten Muttergefühle an Ihrem Hund aus oder schaffen Sie sich ein eigenes Kind an. Mein Sohn braucht keine Verhätschelung. Er soll einmal ein ganzer Kerl werden und kein Muttersöhnchen."
"Das könnte aber schiefgehen, wenn Sie seine Wunden nicht versorgen", Schoss Wilma zurück. Dieser Mann war eine Zumutung! Am liebsten hätte sie ihn gepackt und geschüttelt, aber er war so von sich überzeugt, dass alle Argumente an ihm abprallten.
"Kümmern Sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten", versetzte er unfreundlich. "Roger, du kommst sofort nach Hause. Und hör auf zu weinen. Du bist doch kein Mädchen."
"Mein Gott, in welchem Jahrhundert sind Sie denn stehen geblieben?" explodierte Wilma. Solche Machosprüche hatte sie quergefuttert! "Ich wette, Sie haben Magengeschwüre, abgekaute Fingernägel und Schuppenflechte, weil sie alle Emotionen unterdrücken..."
Der Nachbar hörte ihr nicht zu. Er hatte sich über den Zaun gebeugt, den Jungen ergriffen und herüber gehoben.
"Komm, Roger." Mit einem abschätzigen Blick, der Wilmas gesamte Person umfasste und abwertete, drehte er sich um und ging zu seinem Haus, ohne ein Wort des Dankes oder einen Gruß an Wilma zu
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