Nix als Ärger mit dem Kerl!
Lausbuben hindurchschimmerte, der er eigentlich sein sollte.
Traurig und sehr, sehr nachdenklich blieb Wilma zurück. Dieser Junge hatte Probleme, große Probleme, dessen war sie sich jetzt hundertprozentig sicher. Sie würde ihm helfen.
Aber wie?
4. Kapitel
Marga Kleintrecht stand auf der obersten Stufe der geschwungenen Steintreppe. Ihre Fäuste in die drallen Hüften gestemmt, den Blick wie immer voll unnachgiebiger Strenge, sah sie auf den kleinen Jungen hinunter, der missmutig die Stufen erklomm.
Als er sie endlich erreicht hatte, schnappte sie ihn am Kragen seines T-Shirts und zerrte ihn neben sich her ins Haus.
"Wo hast du denn gesteckt?" wollte Marga wissen, während sie Roger auf die Tür des Musikzimmers zuschob. "Ich habe überall nach dir gesucht. Du weißt doch, dass dein Vater schimpft, wenn er erfährt, dass du nicht geübt hast. Und wie sieht es mit den Hausaufgaben aus? Hast du die fertig?"
"Ja." Wie ein kleiner, nasser Welpe ließ Roger sich von Marga vor den Flügel schleppen.
"Na, hoffentlich", seufzte die Haushälterin. "Du weißt ja, was dein Vater von dir erwartet."
Sie drückte Roger auf den Klavierhocker nieder, klappte die Klaviatur auf und verließ den Raum, ohne sich weiter um den Jungen zu kümmern.
Artig begann Roger seine Tonleitern und Fingerübungen herunterzuspielen. Anschließend schlug er das Notenbuch auf und probte die kleine Mozartetüde, die ihm die Lehrerin aufgegeben hatte.
Er spielte fehlerfrei und blieb genau im Takt, aber sein Herz und seine Gedanken waren nicht daran beteiligt. Doch danach fragte in diesem Hause niemand...
5. Kapitel
Die Verhandlungen zogen sich in die Länge. Für Clarissa von Beuerbach gab es nichts Langweiligeres als Geschäftsbesprechungen, selbst wenn sie mit einem guten Diner in einem Luxusrestaurant verbunden waren. Die trockenen Themen und das zähe Ringen um Preise konnten kein noch so guter Wein und kein noch so exzellentes Mahl interessanter machen.
Sie versuchte, ihre Langeweile hinter einem Lächeln zu verbergen, das jedoch wie festgefroren wirkte. In Gedanken weilte sie bei ihrem derzeitigen Favoriten, einem jungen, feurigen Latinlover, der sie mit Komplimenten und glühenden Zärtlichkeiten überschüttete.
Salvatore de la Delgadio – allein der Name klang schon wie Musik! Leider waren sein Name und seine blühende, sexuelle Phantasie das einzige Kapital, das er mitbrachte. Ansonsten verdiente sich Salvatore als Kellner und Platzanweiser in einem Kino sein Geld.
Daheim irgendwo in Südamerika wartete eine heruntergekommene Hazienda – die Bezeichnung alleine war schon Hochstapelei! – und eine Großfamilie auf ihn. Vielleicht auch eine Braut, darüber ließ sich Salvatore nicht richtig aus. Auf jeden Fall war er eine absolut unpassende Partie für eine Baroness von Beuerbach und kam deshalb nur als Liebhaber in Betracht.
Vater hatte sie bereits gewarnt. Wenn aus ihr und Simon Hartmann ein Ehepaar werden sollte, dann musste sie ihren lockeren Lebenswandel aufgeben. Simon Hartmann schätzte nach den Erfahrungen aus seiner ersten Ehe bodenständige, häuslich veranlagte Gattinnen, die ihm treu ergeben zur Seite standen.
Nun klang das in Clarissas Ohren alles andere als erstrebenswert. Es klang sogar ekelhaft langweilig und fade, aber Simon Hartmann war ein sehr vermögender Mann, dessen ehemals winzig kleiner Herstellungsbetrieb zu einem Imperium angewachsen war, das nicht nur auf dem deutschen, sondern auf dem gesamten europäischen Markt eine Hauptrolle spielte.
Innerlich schüttelte sich Clarissa, als sie an die Produkte dachte, die aus den Hartmannschen Manufakturen kamen: Katheder, Einwegspritzen, medizinische Kleingeräte wie Intubier- und Infusionsschläuche, Urinbecher und Nierenschalen und vieles, vieles anderes mehr, das die großen und kleinen Kliniken und Arztpraxen in der ganzen Welt dringend benötigten.
Ekliges Zeug, mit dem Clarissa nichts zu tun haben wollte, das Simon Hartmann jedoch zu einem reichen Mann gemacht hatte. Und genau das machte ihn in den Augen ihres Vaters zum idealen Schwiegersohn.
Deshalb hatte er darauf bestanden, dass Clarissa ihn zu diesem Treffen begleitete. Hugo von Beuerbach verdiente sein Geld damit, Formen herzustellen, die dann wiederum dazu dienten, zum Beispiel diese unaussprechlichen Nierenschalen in riesiger Stückzahl herzustellen.
Eine durch Heirat herbeigeführte Fusion käme Hugo sehr gelegen, denn die Hartmannschen Nierenschalen würden ihm praktisch das Tor zum
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