Nix als Ärger mit dem Kerl!
verschwenden.
Sprachlos vor Empörung stand sie da. Ihr fiel beim besten Willen nichts ein, dass sie diesem arroganten Schnösel hinterherrufen konnte. Was ihn so richtig in seinem übersteigerten männlichen Ego traf. Und als ihr endlich die passende Formulierung einfiel, war Simon Hartmann schon in seinem Haus verschwunden.
Wilma musste sich ihren Zorn auf ihn für die nächste Begegnung aufheben.
7. Kapitel
Es war gar nicht so einfach, Tante Dorothé zu Gesicht zu bekommen. Die alte Dame hatte derartig viele Termine, dass sie einen Timer brauchte, um sie ordnen zu können.
Dabei handelte es sich beileibe nicht um Arzt- und Masseurbesuche. Tante Dorothé machte im allgemeinen einen großen Bogen um derlei Einrichtungen. Nein, die alte Dame war unter anderem Mitglied in einer Laienschauspielgruppe, für die Wilma bereits zwei Stücke geschrieben hatte.
Dann sang sie im Gospelchor, besuchte zweimal pro Woche vormittags einen Computerkurs und war politisch engagiert, was heißen sollte, dass sie keine Demo ausließ, solange es sich nicht um irgendwelche rechten Gruppen und Parolenschreier handelte.
Im letzten Jahr hatte sie gegen die Castortranporte demonstriert. Mit Polizeigewalt war sie von den Schienen getragen und in Sicherheitsverwahrung genommen worden. Und zwei Jahre zuvor hatte sie sich zusammen mit anderen Greenpeacemitgliedern vor einem bekannten Chemiewerk angekettet und dort so lange verharrt, bis die Feuerwehr mit großen Stahlzangen gekommen war und die Demonstranten losgeschnitten hatte.
Tante Dorothé war also eine sehr rege und außergewöhnliche alte Dame, was die Leitung der Seniorenwohnanlage zuweilen vor Probleme stellte.
Doch als Wilma an diesem Vormittag anrief, hatte sie Glück. Tante Dorothé versicherte fröhlich, dass sie an diesem Nachmittag keine Aktivitäten plante und sich auf den Besuch ihrer geliebten Nichte – eigentlich Großnichte – riesig freute.
Sie saßen auf dem Balkon. Ein bunter Sonnenschirm schützte vor der Mittagshitze. Tante Dorothé trug einen wunderschönen Sari aus hauchdünner Seide, den sie von einer ihren vielen Reisen mitgebracht hatte. Das graue, immer noch volle Haar war im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden, den sie mit einer künstlichen Chrystanthemenblüte verziert hatte.
Ja, Dorothé war schon immer etwas anders gewesen. Wilma musste lächeln als sie ihre Tante betrachtete und dabei unwillkürlich an ihre Eltern dachte, die über Dorothés Aufzug wahrscheinlich entrüstet die Köpfe geschüttelt hätten. Spontan beugte sich Wilma vor und ergriff die Hand ihrer Tante.
"Du siehst bezaubernd aus."
Dorothé lachte leise.
"Hör auf, mir zu schmeicheln", erwiderte sie augenzwinkernd. "Ich bin eine alte Frau, die sich verrückt anzieht, das weiß ich. Aber es macht mir Spaß, die alten Herrschaften hier ein bisschen zu schockieren."
"Du weißt genau, dass du wunderbar aussiehst und dich viele der alten Herrschaften hier heimlich bewundern", erwiderte Wilma ernsthaft. "Und im übrigen hat es dich noch nie interessiert, was andere Menschen über dich denken."
"Stimmt." Das Lächeln auf Dorothés Gesicht vertiefte sich. "Und weil wir gerade von Spießern sprechen, was machen deine Eltern und deine große Schwester?"
Bei den Worten der alten Dame hatte sich Wilmas Gesicht bewölkt. Ihre Oberlippe kräuselte sich leicht, als sie den Mund öffnete, um zu antworten.
"Vater und Mutter geht es gut. Sie sind mit Leib und Seele Großeltern und völlig aus dem Häuschen, vor Freude auf den neuen Enkel." Sie hob die Schultern, um anzudeuten, dass sie das Thema nicht sonderlich interessierte. "Und Katharina ist stolze Mama, treusorgende Ehefrau und die beste Hausfrau, die es weit und breit gibt."
"Kurz, sie ist die Tochter, die Vater und Mutter sich immer gewünscht haben", führte Dorothé den Satz zu Ende. "Erzkonservativ, langweilig und verblödet."
"Nun, verblödet will ich nun nicht gerade behaupten", wehrte Wilma ab, aber es klang wenig überzeugend. "Ach, Tantchen, du weißt doch, wie unsere Leute sind. Generationen von Beamten, die immer treu und brav den Dienst fürs Vaterland versahen. Und in jeder dieser Generationen gab es ein schwarzes Schaf. Du warst es, ich bin es. Finden wir uns damit ab."
"Ich denke nicht daran!" Dorothé lachte fröhlich. "Was glaubst du, was es mir für einen Spaß macht, diese Beamten zu schockieren. Und ich freue mich diebisch, dass Ewald und Gerlinde mit dir genau das in die Welt gesetzt haben, über das sie
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