Nixenfluch
Conor und Faro sind nur wegen mir hier.
»Nein, lieber Wal. Ich kann nicht mit dir kommen. Ich muss hierbleiben.«
»Hierbleiben …«, höre ich das Echo des Wals. »Ich hab fast vergessen, dass du nicht zu mir gehörst. Aber wenn du zu mir gehören würdest, hätte ich niemals zugelassen, dass du hier in der Tiefe … ups, das hätte ich nicht sagen sollen«, fügt sie schuldbewusst hinzu. »Ich weiß gar nicht, was über mich gekommen ist. Bitte sag Saldowr nichts davon.«
»Natürlich nicht.«
»Ich würde euch zum Abschied noch gern einen guten Witz erzählen, aber leider fällt mir keiner ein.«
»Macht nichts«, entgegne ich sanft, »vielleicht nächstes Mal.«
Die anderen scheinen unseren Wortwechsel nicht mitbekommen zu haben. Als gäbe es einen besonderen Kanal, auf dem ausschließlich wir beide kommunizieren können. Ist wohl auch besser, dass Conor nicht gehört hat, wie sie mich überreden wollte, ihn und Faro hier zurückzulassen.
»Ich muss jetzt auftauchen«, sagt der Wal mit schwacher Stimme. Gäbe es hier unten ein wenig Luft, würde ich sagen, es war ein Seufzen. »Was auch passiert, ich kehre zu euch zurück. Und jetzt haltet euch fest, denn hier kommt die Welle.«
Das dunkle Wasser wirbelt auf. Sie dreht sich um. Wir fassen uns an den Händen. Obwohl ich nichts sehen kann, weiß ich, was sie tut. Sie bewegt ihre gewaltige Schwanzflosse hin und her, bringt das Wasser in Bewegung. Die Welle rollt heran, wird immer größer und mächtiger, hebt uns empor und katapultiert uns mit rasender Geschwindigkeit nach vorn …
Dreizehntes Kapitel
V or uns ist ein Licht. Es ist nur ein trüber Schimmer, als hätte man ein Stück Stoff vor eine Lampe gespannt. Das Licht streckt seine gierigen Finger nach uns aus, tastet im Dunkeln nach uns. Jetzt fühlt sich die Finsternis wie ein Freund an. Das hier ist die Sorte Licht, die einem Albtraum zu entspringen scheint.
»Das Licht des Kraken«, flüstere ich.
»Was?«
»Es ist das Licht des Kraken. Der Wal hat mir davon erzählt.«
Die Welle des Wals war so stark, dass sie uns direkt bis zur Höhle des Kraken transportiert hat. Ich drehe mich um, und zum ersten Mal, seit wir die Wälder von Aleph verlassen haben, sehe ich die Gesichter von Conor und Faro. Sie sehen aus, als hätten sie Prügel bezogen, nur dass keine blauen Flecken zu erkennen sind. Faro scheint die Erschöpfung sämtliche Energie geraubt zu haben. Conor sieht geschafft, aber entschlossen aus.
»Glaubst du, dass er da ist?«, flüstere ich.
»Natürlich ist er das …«
»Natürlich natürlich natürlich«, sagt eine weitere Stimme, die leicht wie eine Feder und weich wie Seide, doch von derselben Gier wie das Licht ist. »Natürlich bin ich hier, um dich zu begrüßen, myrgh kerenza .« Die Stimme stößt ein schmeichlerisches Kichern aus. »So nennen sie dich doch, oder? Hab ich das richtig gesagt?«
»Woher weißt du …?«
»Oh, ich habe meine Informanten. Du glaubst, dass der Krake keine Freunde hat? Dass mich alle hassen? Nein nein nein nein nein nein nein. So ist das ganz und gar nicht. Und du hast deine Freunde mitgebracht, damit wir miteinander spielen können? Wie nett von dir.«
Seine Stimme schlängelt sich uns entgegen wie der Tentakel eines Tintenfischs. Ich dränge mich dicht an Conor, doch er schiebt mich sanft zur Seite und schwimmt einen Armzug nach vorn.
»Dann zeig dich uns«, sagt er ruhig. »Wie kannst du unser Freund sein, wenn wir dich nicht sehen können?«
»Oh nein nein nein nein nein nein nein nein. So geht das nicht. Ihr müsst kommen und mich erkennen .«
Faro ist jetzt neben Conor, und auch ich gleite durch das bleierne Wasser. All mein Instinkt rät mir, umzukehren und die Flucht zu ergreifen.
»Ihr müsst nur dem Licht entgegenschwimmen. Es ist ganz leicht«, sagt der Krake.
Leuchtende Finger schlängeln sich uns entgegen, doch ehe sie uns berühren können, werden sie jedes Mal von der Kraft der Tiefe zurückgedrängt. Die Tiefe scheint jetzt auf unserer Seite zu sein und uns zu beschützen. Solange wir nicht mit dem Licht in Berührung kommen, kann uns der Krake vielleicht nicht verletzen.
Aber warum sind wir dann überhaupt hierher gekommen, kleine Schwester? Faro ist jetzt so dicht bei mir, dass nicht einmal die Tiefe seine Gedanken vor mir verbergen kann. Warum haben wir das Risiko auf uns genommen, wenn wir nicht kämpfen werden? Wir werden den Kraken bestimmt nicht zum Schlafen bringen, wenn wir uns vor ihm verstecken. Saldowr hat uns
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