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No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

Titel: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke van Schindel , Joost Smiers
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Weise darauf zu reagieren. So gelangt man schließlich zu der bizarren Frage, warum diese Länder ein System, von dem man schon weiß, dass es für das 21. Jahrhundert nicht mehr geeignet ist, überhaupt noch einführen sollen. Ist das nicht ein Umweg?
    Es lohnt, sich daran zu erinnern, dass die Entwicklungsländer sich Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts durchaus dagegen wehrten, im Rahmen eines WTO-Handelsabkommens einen Vertrag über geistige Eigentumsrechte zu schließen. Rechte des geistigen Eigentums, die Monopole an Wissen und Kreativität absichern sollen, ausgerechnet in einem Freihandelsvertrag festzuschreiben, fand man sonderbar, ja widersprüchlich. Auch der uniforme Charakter des TRIPS-Abkommens und das verpflichtende, hohe Schutzniveau lief diesen Ländern zuwider. Man sah realistisch voraus, was kommen würde: Das Monopol der Unternehmen aus den reichen Ländern auf den Besitz von Wissen und Ideen würde durch den Vertrag noch verstärkt. Die technologische Kluft zwischen Nord und Süd würde vergrößert. Das TRIPS-Abkommen würde den Kapitalfluss von Entwicklungsländern in ökonomisch entwickelte Länder verstärken (siehe Deere 2011: 1).
    Peter Drahos hält die weltweite Verbreitung des Copyright-Systems, die ausschließlich im Interesse der Copyright-Exporteure sei, sogar für ein Relikt des Kolonialismus. Auch habe seither jede Revision des Copyright-Systems zu einer weiteren Erhöhung des Schutzniveaus geführt. Nach dem offiziellen Ende des Kolonialismus, so Drahos, hätten die armen Länder sich unvermutet mit einem System konfrontiert gesehen, das vor allem darauf ausgerichtet gewesen sei, die ökonomischen Interessen »eines engen Zirkels ehemaliger oder mit abgeschwächter Macht weiter agierender Kolonialisten der alten Welt« (Drahos 2005: 9) zu schützen. Mit dem TRIPS-Abkommen über trade related intellectual properties ist dieses System zu einer neuen Blüte gelangt.
    Die dritte Situation, in der das Urheberrecht mit Ansprüchen kollidiert, die seitens der Gemeinschaft gestellt werden, tritt in Gesellschaften auf, in denen Tradition, lokales Wissen und Folklore noch einen lebendigen Aspekt der Kultur darstellen. Wo es zum Beispiel keinen Unterschied zwischen Wissen und Spiritualität gibt und alle Aspekte des Lebens, der Natur und der Erde noch Teil eines großen Kreises sind. Meistens gehören die Volksgruppen, die solche Kulturen pflegen, heute zu den ärmsten Schichten der jeweiligen Gesellschaften. Diese Völker müssen nun plötzlich erleben, dass ihr Wissen und ihre Traditionen, die ihnen heilig sind und die einen essenziellen Bestandteil ihrer Identität ausmachen, von westlichen Unternehmen entwendet werden, die dann eine Mauer von geistigen Eigentumsrechten um dieses Wissen herum errichten. Man muss der Realität ins Auge sehen: Diese Gesellschaften werden zwar durch enge Bande mit ihren Vorfahren zusammengehalten, sind aber zugleich oft durch interne Machtstreitigkeiten über die Verteilung von Land und natürlichen Ressourcen sowie über Wissen, soziale Kontrolle und kulturelle Repräsentationen heftig entzweit. Oft gehen diese Streitigkeiten auf eine frühere Kolonialherrschaft, auf politische Unterdrückung sowie auf Prozesse der Modernisierung zurück.
    Wie man es auch dreht und wendet, in den letzten Jahrzehnten ist jedenfalls immer deutlicher geworden, mit wie wenig Respekt diese Kulturen behandelt worden sind und wie sehr sie unter Ausbeutung und purem Diebstahl zu leiden hatten und noch immer leiden. Von großer Bedeutung ist deshalb die Biodiversitäts-Konvention von 1992, die den Wert traditionellen Wissens im Hinblick auf den Schutz von Arten, Ökosystemen und Landschaften ausdrücklich anerkennt. In diesem Zusammenhang kam auch die Idee auf, dass ein spezielles Regime von geistigen Eigentumsrechten entwickelt werden müsste, das besser geeignet wäre, den kollektiven Schatz an Wissen und Kreativität zu schützen, als es die bisherigen Rechtsinstitute vermögen. Wenn geistige Eigentumsrechte Individuen und Unternehmen schützen, warum dann nicht das System umwandeln und an Situationen anpassen, bei denen zwar kein individueller Eigentümer festgestellt werden kann, aber kollektive Güter geschützt werden müssen?
    Dies war, und ist, kein leichtes Unterfangen. Mitte der neunziger Jahre setzte die WIPO, die World Intellectual Property Organization, das Thema auf ihre Agenda und rief ein zwischenstaatliches Komitee ins Leben, ein »Intergovernmental

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