No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
Committee on Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore«. Nach langen Verhandlungen lag 2005 ein Textentwurf auf dem Tisch, der politische Ziele und Grundprinzipien zum Schutz traditioneller kultureller und folkloristischer Ausdrucksformen enthielt. Die darin formulierten Ideen scheiterten aber an Einwänden der USA und Kanadas.
Politischer Gegenwind ist nicht das einzige Hindernis für dieses Projekt. Es ist ziemlich kompliziert, sich darauf zu einigen, was ein Vertrag zum Schutz kollektiven geistigen Eigentums eigentlich alles beinhalten sollte. Um die Wahrheit zu sagen: Es ist schier unmöglich, eine Regelung wie das Urheberrecht, die explizit darauf ausgerichtet ist, individuelle, private Aneignung zu regeln, in etwas umzumodeln, was zur Verteidigung von Gemeinschaftsrechten dient. Copyright setzt eine identifizierbare, individuelle Quelle der jeweiligen geistigen Schöpfung voraus, also eine wie auch immer geartete Manifestation, und die Rechte daran sind grundsätzlich zeitlich begrenzt. In Kulturen, bei denen alle Aspekte des Lebens miteinander verbunden sind, ist es unmöglich, solche Elemente zu identifizieren. Außerdem verwerfen die Mitglieder dieser Gesellschaften eine solche Vorstellung schon allein deshalb, weil ihre Traditionen und Kulturen in völlig anderen Prinzipien verwurzelt sind. So gibt es Aspekte dieser Kulturen, die geheim bleiben sollen oder nicht segmentiert, geschweige denn verkauft werden dürfen. Auch ist nicht leicht auszumachen, wer eigentlich als Wortführer einer solchen Gemeinschaft zu gelten hat und berechtigt wäre, in Bezug auf gemeinschaftliche Rechte ihre Belange zu vertreten. Wer entscheidet am Ende, welche Art der Nutzung erlaubt und wo die Grenze überschritten ist? Konflikte können da nicht ausbleiben.
Dass die urheberrechtliche Schutzfrist grundsätzlich zeitlich begrenzt ist, macht es umso komplizierter, ein kollektives Eigentumsrecht zu entwerfen. Das Wissen, die Traditionen und die Folklore der Gesellschaften, um die es hier geht, sind bereits seit Jahrhunderten überliefert. Entsprechend müssten sie längst gemeinfrei geworden sein. Wenn diese Gesellschaften heute ein System kollektiver geistiger Eigentumsrechte fordern, haben sie diesen Aspekt oft gar nicht im Blick. Sie gehen vielmehr davon aus, dass ihr Wissen, ihre Traditionen und ihre Folklore bis ans Ende aller Zeiten ihnen gehören. Was in diesen Gesellschaften getan und gedacht wird, macht einen Teil des gemeinschaftlichen Erbes aus, das nach bestem Wissen und Gewissen verwaltet wird. Wissen, Kunst und Kultur sind davon ebenso betroffen wie Land und Natur. Das Gewohnheitsrecht bestimmt, wer die verschiedenen Arten von Wissen und künstlerischer Kreativität wie und an welchen besonderen Orten nutzen darf, aber auch, welche Verpflichtungen sich aus der Nutzung ergeben.
Außerdem ist eines der Grundcharakteristika von geistigen Eigentumsrechten, dass diese übertragen werden können. Gesellschaften, in denen traditionelles Wissen und Folklore eine wichtige Rolle spielen, finden die Vorstellung, ihre wertvollen Traditionen zu Markte zu tragen, gänzlich inakzeptabel. Aus all diesen Gründen ist der innerhalb der WIPO unternommene Versuch, das herrschende System von Rechten des geistigen Eigentums zu einem Konstrukt des Schutzes für kollektives Eigentum umzubauen, zum Scheitern verurteilt.
Es ist vorgeschlagen worden, dem traditionellen Wissen und dem kulturellen Erbe dieser Gemeinschaften den Status eines »gemeinsamen Erbes der Menschheit« oder eines »weltweiten Gemeinguts« zuzusprechen. Wir bestreiten nicht, dass es in diesen Gesellschaften Elemente geteilten Wissens gibt, aber diese gemeinschaftlichen Aktivitäten basieren auf Gegenseitigkeit. Solange es das heutige Urheberrechtssystem gibt, werden diese indigenen und lokalen Gemeinschaften sicher nicht begeistert davon sein, dem Rest der Welt ihr kulturelles Erbe und ihr traditionelles Wissen einfach so zu überlassen. Die Erfahrung, dass andere sich ihr traditionelles Wissen aneignen und ohne Gegenleistung davon Gebrauch machen, haben diese Gemeinschaften in der Vergangenheit oft genug gemacht, und in der Gegenwart müssen sie es erneut feststellen.
Im ersten Kapitel haben wir bereits darauf hingewiesen, dass die bestehenden Regelungen zu »unerlaubten Handlungen«, die einen Schadenersatzanspruch vorsehen, unserer Meinung nach geeignet wären, das Urheberpersönlichkeitsrecht zu ersetzen. Wir haben dies
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