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No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

Titel: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke van Schindel , Joost Smiers
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Mit guten Gründen nahm man an, dass dadurch das illegale Downloaden substanziell zurückgedrängt würde. Denn wer wäre einen so geringfügigen Betrag nicht zu zahlen bereit? Zudem hätte die Kriminalisierung unschuldiger Bürger ein Ende, dachte man sich, und das System des Urheberrechts eine gewisse Chance, den digitalen Wirbelsturm zu überleben.
    Im französischen Senat wurde der Entwurf zwar angenommen – in der Nacht des 21. Dezember 2005 –, aber die großen Stars waren dieser mutigen Initiative alles andere als wohlgesinnt. Die meisten Urheberverbände und Verwertungsgesellschaften in Frankreich – und das sind eine ganze Menge, für jede Hebung in der Sprachmelodie eine – waren wütend und verwarfen den Vorschlag, wobei sie von der Kultur- und Medienindustrie unterstützt wurden, allen voran vom einheimischen Großkonzern Vivendi. Sie hatten Angst, dass den Rechteinhabern aus der vorgeschlagenen Regelung Nachteile erwachsen würden. Also drängten sie den französischen Staat, illegale Nutzer weiter zu kriminalisieren – was, wie wir im ersten Kapitel erläutert haben, für die Strafverfolgungsbehörden eine enorme Last bedeutet. Dabei hatten die Lobbyisten die wichtigsten Politiker des Landes auf ihrer Seite: Beide Kandidaten für die zwei Jahre später anstehende französische Präsidentschaftswahl hatten einen heiligen Eid darauf geschworen, die Piraterie mit allen Mitteln zu bekämpfen.
    Im März 2006 verwarf das Parlament bei einer zweiten Abstimmungsrunde den Vorschlag einer allgemeinen Tauschlizenz und legte stattdessen ein Bußgeld von 38 Euro für jeden illegalen Download und 150 Euro für illegale Verbreitung fest. Alles in allem hätten dabei enorme Beträge zusammenkommen können. Doch diese substanzielle Korrektur fanden die Kulturindustrie und die Urhebervertreter noch immer nicht ausreichend. Sie argumentierten, die Bußgelder seien so gering, dass es sich nicht lohnen würde, illegale Downloads überhaupt aufzuspüren, und sie waren überzeugt, dass die Filesharer sich von so geringen Strafen nicht entmutigen lassen würden. Der Traum von einem normalen Umgang mit Downloads platzte endgültig im Juli 2006, als der französische Verfassungsrat die begrenzten Strafen für den Tausch von künstlerischen Inhalten für verfassungswidrig erklärte. Damit war der Versuch des damaligen französischen Kulturministers Renaud Donnedieu de Vabres, auf den massenhaften Tausch von Musik- und Videodateien eine zeitgemäße Antwort zu finden, endgültig vom Tisch.
    Der Rat berief sich auf die in der französischen Menschenrechtserklärung von 1789 verbrieften Eigentumsrechte. Dabei interpretierte er Eigentum als ein quasi absolutes Recht, das für ein Haus genauso gelten sollte wie für ein Musikstück. Anscheinend lebten die Richter des Conseil Constitutionnel noch im Jahr 1789, falls sie überhaupt verstanden hatten, was seinerzeit verhandelt worden war. Schließlich ist die Beziehung, in die Menschen im Hinblick auf eine bestimmte Sache, einen bestimmten Wert oder eine bestimmte Ausdrucksform zueinander treten, in einer konkreten geschichtlichen Situation stets das Ergebnis einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung darüber. (Vgl. Nuss 2006: 217, 223–227 sowie Rose 2002: 8) Warum Frankreich gegen diese ahistorische Interpretation des Eigentumsbegriffs nicht Sturm gelaufen ist, bleibt ein Rätsel.
    Wie dem auch sei: Indem der Verfassungsrat den relativ begrenzten Strafen eine Absage erteilte, hat er jedenfalls ganz normale Leute, die untereinander Musik getauscht haben, mit professionellen Fälscherbanden in einen Topf geworfen (siehe International Herald Tribune , 29./30. Juli 2006). Damit hat Frankreich die Gelegenheit verschenkt, mit gutem Beispiel voranzugehen. Nur wer von einem anderen Planeten kommt, kann bestreiten, dass das heutige Urheberrechtssystem und die verschiedenen damit zusammenhängenden Abgaben zumindest ziemlich ärgerlich sind. Vorerst jedoch stand Frankreich wieder dort, wo viele andere Länder heute noch stehen: Illegale Nutzer werden nach wie vor kriminalisiert, was einen enormen Aufwand bedeutet und die Plattenfirmen bei ihren Kunden nicht gerade beliebt macht.
    Eine Vereinfachung des Urheberrechtssystems könnte auch darin bestehen, eine einmalige Abgabe zu erheben – nicht im Sinne der oben dargelegten und in Frankreich letztlich doch nicht realisierten allgemeinen Lizenz, sondern eher eine Art Steuer auf Musik, Filme, Bücher oder visuelles Material. Das ist

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