No more heartbreak
hervor, das Bild einer Studentin, die an der Straße sitzt und sich durch Gitarrespielen ihren Lebensunterhalt verdient. »Oh, na ja, das ist eben typisch New York. Hier kann man einfach jedem begegnen. Nicht wie zu Hause, wo immer nur dieselben Leute in denselben Kreisen verkehren. Ich habe immer noch keine Ahnung, warum Hugos Vater darauf bestanden hat, dass er Harvard hierfür aufgibt.«
»Das war die Idee seines Vaters?«, fragt Max mit einem Kieksen in der Stimme.
»Ja.« Mrs Tillman stochert in ihrem Salat. »Der Vorstand ist besessen davon, die Firma zu einem Flaggschiff des 21. Jahrhunderts zu machen, und Hugo senior möchte sie natürlich bei Laune halten und beweisen, dass die Familie weiterhin in leitender Position tätig sein kann. Klein-Hugo hat in der Sache so gut wie nichts zu sagen.« Sie berührt ihre Perlenkette.
»Oh«, sagt Max. Wenn Hugo jetzt hier wäre, würde er beim Klang dieses verhassten Kosenamens mit den Zähnen knirschen. Hat er sie heute Morgen angelogen – oder ihr nur nicht die ganze Wahrheit gesagt?
»Da ist sie ja.«
Während Max im Geiste ihr Gespräch mit Hugo noch einmal durchgeht, bemerkt sie, dass die Frau, die durch das Restaurant auf sie zurauscht, ihr bekannt vorkommt. Sie ist zwar zwanzig Minuten zu spät dran, geht aber ohne Eile an den gestärkten Tischdecken und den prächtigen Tischdekorationen vorbei. »Vivian«, begrüßt sie Mrs Tillman. »Entschuldige. Der Verkehr in dieser Stadt ist schrecklich.« Sie rückt unnötigerweise ihr Haarband zurecht. Als wäre sie in einem Cabrio angereist.
»Sloane«, grüßt Mrs Tillman sie. »Erinnerst du dich an Maxine aus der Schule?«
»Nein, leider nicht. Warst du in Elizabeths Klasse?«
»Welche Elizabeth?« In ihrer Klasse gab es drei, zwei im Jahrgang über und vier im Jahrgang unter ihr.
»Maxine«, sagt Mrs Tillman schlicht. »Dies ist Mrs Dow Pendergast.«
Plötzlich schmeckt die Brotstange in Max’ Mund wie Sand. »Wie schön, Sie kennenzulernen«, krächzt sie, als Sloane sich setzt. Max wird nicht als Hugos Freundin vorgestellt. Sie trinkt einen Schluck Wasser. »Ich war eine Klasse unter ihr. Wie geht es Elizabeth?«, zwingt sie sich zu fragen, denn das ist genauso obligat wie das Verzehren dieser Schnecken. Sie hofft darauf, dass die Antwort »Sie lebt mit einem Pygmäen in Papua-Neuguinea« lauten wird.
»Oh, gut. Genießt Princeton. Sie war sich nicht sicher, ob sie Yale nicht vermissen würde, aber im Endeffekt war ihr der kurze Weg in die Stadt doch wichtiger.« Sloane wirft Vivian ein vieldeutiges Lächeln zu.
Elizabeth kommt nicht zum Einkaufen in die Stadt , denkt Max. Und ganz bestimmt auch nicht wegen des Essens. Sie kommt wegen Hugo.
Sie ist seine Prinzessin.
Nach einem glücklicherweise kurzen Essen, bei dem sich das Gespräch nur noch um Pferdezucht und das Boston Symphony Orchestra dreht, geht Max mit Vivian zum Friseur. Ihr rauscht immer noch das Blut in den Ohren. Okay, möglicherweise war Hugo mit Elizabeth zusammen – aber das war, bevor er Max wiedergesehen hat. Vor der perfekten gestrigen Nacht. Hugo erzählt seiner Mutter gar nichts, erinnert Max sich selbst und versucht, rational zu denken.
Sie beschließt, bis nach der Maniküre, der Gesichtsbehandlung und der Haarwäsche zu warten. Heute Abend, wenn sie in all ihrer Schönheit vor Hugo steht und er sie wieder voller Hunger und Bewunderung ansieht und sie sich der Situation wieder sicher ist, dann wird sie ihn fragen: Warum hast du mich zurück in dein Bett und dein Leben geholt, wenn Elizabeth bereits darin ist?
Als die Limousine Max und Hugos Mutter nach Downtown zu der Party fährt, denkt Max: In aller Schönheit ist was anderes. Das ist nicht mal in halber Schönheit. Max würde gerne ihr Aussehen in ihrem Schminkspiegel überprüfen, aber da ihr auf dem Weg vom Schönheitssalon zum Auto wahrscheinlich weder Make-up noch sanfte Wasserwellen zugeflogen sind, kann sie es auch lassen. Nach vier Stunden bei Kenneth sahen sie und Mrs Tillman genauso aus wie vorher. Nur sauberer. Max streicht über die Front des formlosen Seidensacks, der ein Kleid darstellen soll. Vielleicht kann sie ihm mithilfe von elektrostatischer Aufladung ja ein bisschen Form geben. Sie überkreuzt die Füße, die unglaublicherweise immer noch in den roten Ballerinas stecken. Max hat zwar einen Besuch in der Schuhabteilung von Saks angeregt, aber als Hugos Mutter sagte: »Du meine Güte, wer schaut denn auf deine Füße?«, gab Max auf. Kein New Yorker
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