No Sex in the City
Genau wie sie erwartet hatte - Clara hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihre Mutter einzuschließen. Louise dagegen war dabei. Diese selbstsüchtige Hexe. Clara schien ihre Doktrin von Frieden und Vergebung so zu verstehen, dass ihr alles zu tun erlaubt war, was ihr gefiel, und wenn es jemandem nicht gefiel, dann war das sein Problem.
Katie ließ sich auf den Stuhl fallen. Das war eine schöne Bescherung! Wie lange waren sie jetzt zusammen - sechs Monate? Was sollte sie nur Louise erzählen? Louise, deren Hoffnungen sich jahrelang auf Max gerichtet hatten und die von seinen möglichen Kindern immer gedacht hatte, dass es auch die ihren sein würden.
Sie dachte an ihre Schwester und an die Luft dort, schwer von Staub und Autoabgasen und dem Duft von Gewürzen und Räucherstäbchen. Wie konnte sie dort unten überhaupt Sicherheit haben? Kaum wahrscheinlich, dass man dort so einfach einen Schwangerschaftstest kaufen konnte. Vielleicht wusste sie nicht einmal, in welchem Monat sie war. Und wie konnte sie sicher sein, dass sie vernünftiges Essen und sauberes Wasser bekam? Und was war mit Käse und Eiern und all diesen Dingen, die man überhaupt nicht essen sollte? Und mit giftigen Emissionen? Katies Herz raste.
Andererseits konnte sie nicht leugnen, dass ihre Schwester glücklich klang. Und sie dachte daran, wie glücklich Louise jüngst gewirkt hatte.
»Sag nichts. Jonny hat Janey verlassen, und es ist kaum zu glauben, was Jemima zu Jessica gesagt hat?«
Katie musterte Harry. Nachdem er sich im Wald so sensibel gezeigt hatte, war in ihr die Hoffnung aufgekeimt, dass es mit den Feindseligkeiten ein Ende haben würde. Davon war nichts zu spüren. Sie würdigte seine Bemerkung keiner Reaktion, stand auf und folgte ihm zur Tür.
»Was ist los?«, fragte er, als er sie zum Landrover begleitete.
»Nichts.«
Harry rieb sich die Nasenwurzel. »Tut mir leid, aber in meinem Büro wird nicht geschmollt.«
»Ich schmolle nicht, okay? Es ist etwas Persönliches.«
Wie erhofft hatten die bloßen Worte »etwas Persönliches« eine Zauberwirkung. Er wich zurück, als hätte sie gesagt, »es ist Lepra«, und legte den Gang ein.
Zehn Minuten später begannen seine ständigen Seitenblicke und seine gerunzelte Stirn sie wahnsinnig zu machen. Die Straße war voll, alle Autos fuhren in dieselbe Richtung.
»Weißt du, wo es hingeht?«, fragte Harry plötzlich.
»Nein, weiß ich nicht«, sagte Katie. »Ich komme in London prima zurecht - nun, zumindest für postfeministische Begriffe«, fügte sie mehr für sich selbst hinzu, »dann kommt meine idiotische Schwester und läuft mit dem Freund meiner besten Freundin weg. Ich befinde mich plötzlich hier oben, meine Schwester ist schwanger, und ich muss es meiner besten Freundin mitteilen.«
Nach einer peinlichen Pause wurde ihr klar, dass Harry hatte fragen wollen, ob sie wisse, wo es mit dem Auto hinging.
»Entschuldigung«, stießen sie beide gleichzeitig hervor.
»Es ist mein Fehler«, sagte Harry schnell. »Ich habe in meiner Kindheit nicht viel über Mädchen gelernt. Total unbekanntes Terrain. Tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe.«
»Nein, mir tut es leid«, sagte Katie gerührt. »Ich war nur etwas geschockt heute Morgen, das ist alles.«
»Wegen deiner Schwester?«
Sie nickte.
»Ist sie ... äh ... glücklich oder so?«
»Scheint so«, sagte Katie. »Sie ist in Indien. Auf der Suche nach sich selbst. Und nach noch jemandem offensichtlich. Wahrscheinlich bekommt sie das Kind dort.«
»Klingt gut«, amüsierte sich Harry. »Ein bisschen wie Dschungelbuch. Das Kind wird von Bären und so großgezogen.«
Katie warf ihm einen schmeichelnden Blick zu.
Harry sah unbehaglich aus. »Nun, mit Babys hatte ich auch nicht viel zu tun. Oder mit Indien.«
Katie lächelte zum ersten Mal an diesem Morgen. »Womit hattest du denn dann zu tun?«
»Na ja«, sagte Harry. »Einmal habe ich einen kranken Dachs großgezogen, obwohl man sie abliefern soll.«
Katie nickte. »Was noch?«
Harry blinzelte. »Nichts. Das war es schon.«
Sie kamen an ein großes Feld mit Zelten und Ständen, und es parkten hier so viele Autos, wie Katie in ihrer gesamten Zeit in Schottland gesehen hatte.
Als sie in einer matschigen Ecke hielten, nahm sich Katie zum soundsovielten Mal vor, olivia zu bitten, ihr ein paar nette neue Gummistiefel mit Blumen drauf zu schicken. Die ihren waren regelrecht klobig.
»Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte sie, als sie aus dem Auto stieg.
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