No Sex in the City
sie, und ihre Stimme war hoch und piepsig. »Es tut mir leid. Ich wusste nichts von dem Mikrofon.«
»Ich weiß«, sagte er barsch. »Natürlich. Wer hätte auch von einem Medienprofi verlangt, sich mit so etwas auszukennen.«
»Harry, bitte. Du weißt, dass ich recht habe. Du weißt, dass du .«
Harry schlug entnervt auf das Lenkrad. »Nun, das tut jetzt nichts mehr zur Sache. Hundert Prozent der Stadtbewohner und der Bewohner des Umlands wissen nun alles. Ich habe die Geschichte nicht mehr in der Hand, und alles ist so gekommen, wie du es dir vorgestellt hast. Das wolltest du doch, oder?«
»Nein!«, sagte Katie verzweifelt. »Natürlich nicht. Es war ein schwerer Tag.« Sie zeigte auf Louise, die nicht ein-
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mal zuhörte, nur aus dem Fenster starrte und Francis ignorierte, der versuchte, ihre Hand zu lecken, ohne sich auch nur einen Millimeter von seinem Platz auf dem Vordersitz wegzubewegen.
»Sicher war es das«, sagte Harry grimmig. Er öffnete die Wagentür. Katie stieg widerwillig aus. Louise folgte ihr wie ein Zombie. Harry würdigte sie beide keines Blickes, nicht einmal Louise.
»Leb wohl«, sagte er muffig.
Er stieg ein und fuhr davon. Louise rannte los, und Katie blieb allein zurück.
Sie starrte aufs Meer hinaus. Sie war zum Hafen gegangen, weil ihr nichts Besseres eingefallen war, und beobachtete die Boote, die nun, am frühen Nachmittag, mit ihrem Fang heimkehrten. Zehn Stunden waren sie bereits unterwegs gewesen. Es gab härtere Jobs als ihren eigenen, das schien klar zu sein.
Aber fühlten sie sich auch so übel, wenn es mit dem Fisch nicht geklappt hatte? Vermutlich. Sie seufzte schwer und suchte nach jemandem, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben könnte. Es gab niemanden. Sie hatte sich in jeder Hinsicht unprofessionell verhalten. Mit einem Unbeteiligten Geschäftsgeheimnisse zu bereden wäre schon schlimm genug gewesen, wenn das Gespräch nicht über den Lautsprecher gegangen wäre. Und ihren Chef einen Trottel zu nennen ... Ihre Arme, die sie um die Knie geschlungen hatte, klammerten sich vor Scham noch enger darum. oh Gott, wie konnte sie nur? Wie konnte sie nur? Am liebsten wäre sie ins Hafenbecken gesprungen und ertrunken, um dieses teuflische Mantra in ihrem Kopf zum Schweigen zu bringen.
Sie kramte in ihrem Gedächtnis nach Ratschlägen für Leute in schwierigen Lebenslagen, etwa dem, an Personen
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zu denken, denen es bedeutend schlechter ging, Menschen mit verschieden langen Beinen oder Erdnussallergien oder grässlichen Ehemännern (allerdings waren die alle weit weg von Fairlish, was sie nur neidisch machte und so den Nutzen der Übung unterlief).
Es hatte alles keinen Zweck. Katie hatte auf der ganzen Linie versagt. Ihr war gekündigt worden, und sie kam sich arm und verlassen vor, sie war Single und fast dreißig, und sie war Opfer eines Raubüberfalls geworden ...
Sie atmete tief ein, und da niemand in der Nähe war, außer einer Möwe, die hoch in den Lüften schrie, entlud sich ihre Enttäuschung in einem markerschütternden Geheul. Tränen tropften jetzt auf den harten Stein.
Nachdem es erst einmal angefangen hatte, konnte sie sich naturgemäß gar nicht mehr einkriegen. Allein, nutzlos und hilflos und mit einem ernsthaft beschädigten Fiat als einzigem Freund, ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf und wusste zugleich, dass es Louise, die mit gnadenloser Härte auf ihre Misere gestoßen worden war, am anderen Ende der Stadt kein Stück besser ging.
Man kann nicht ewig weinen, selbst wenn man möchte. Man kann sich noch nicht einmal leicht in den Schlaf weinen, da die aufgebrachte Heulerei irgendwann in entspannte träumerische Gedanken an andere Dinge übergleitet. Und so war schließlich Schluss mit dem Geschluchze. Katie rieb sich mit dem Arm über die Nase, die knallrot war und auf dem Arm Schnodder hinterließ. Das war ihr egal. Sie würde jetzt gehen, ihr Zeug holen, Louise ins Auto packen und nach Hause fahren. Olivia würde sie vermutlich rausschmeißen, aber sie würde einen anderen Job finden, verdammt, das hatte sie schon öfter geschafft. Sie würde weitermachen und das Ganze als Lebenserfahrung abhaken.
Als sie aufstehen wollte, merkte sie, dass ihre Beine taub geworden waren. Ihr Fuß rutschte auf dem Seegras aus, und sie sah ihn in Zeitlupe weggleiten, als gehörte er zu einer fremden Person. Sie rutschte hinterher, war machtlos, bewegte sich auf das kalte graue Wasser zu .
»Jesus!«, erklang eine erschrockene Stimme, und eine Hand
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