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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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gehört?«
    Jubel? Musik? Ihren eigenen Atem?
    »Nur solche Püffe.«
    »Püffe?«
    »Erstickte Geräusche sozusagen, wie Luftstöße. Ich habe mich umgedreht und gesehen, wie ein Mann auf die Knie sank. Er tanzte mit einer Frau, und sie hat ganz verwundert ausgesehen, als er einfach so zusammenbrach. Sie schaute hoch und sah erst mich an und dann auf ihre Brust, und dann habe ich da auch hingeguckt und gesehen, dass sie blutete. Es ist richtig aus ihr herausgequollen, und sie hat mich wieder angeschaut, und dann ist sie zusammengesackt, und alle haben geschrien …«
    »Wann kam das zweite Puffen?«
    Annika schielte zu Q hinüber.
    »Das zweite?«
    »Sie sagten ›Püffe‹.«
    »Habe ich das gesagt? Keine Ahnung. Es machte puff, und dann hat die Frau mich angeguckt, und dann hat es wieder puff gemacht, ja, es waren wohl zwei Püffe …«
    »Wie weit waren Sie entfernt, als das Paar fiel?«
    Sie überlegte ein paar Sekunden.
    »Zwei Meter, zweieinhalb vielleicht.«
    »Diese Frau, die Sie angerempelt hat, haben Sie sie gesehen, als die beiden stürzten?«
    Wie war es gewesen? Hatte sie die Frau gesehen? Hatte sie Träger gesehen?
    »Träger«, sagte Annika. »Sie hatte schmale Träger. Oder eine Tasche mit einem schmalen Tragriemen.«
    Q notierte und nickte.
    Annika presste die Fingerspitzen auf ihre Augenlider und suchte, suchte zwischen den Bildern und Stimmungen. Was lag hinter dem Jubel?
    Bosses Hand, die durch den Stoff auf ihrem Rücken gebrannt hatte, Bosses Hand, die sie so fest an ihn drückte, dass sie sein Geschlecht fühlte, ihre Hand um seinen Hals. Das hatte sie gefühlt. Daran erinnerte sie sich. Die Musik war nur Tarnung gewesen, traurig und ziemlich mittelmäßig, dennoch hatte sie ihnen Schutz gewährt und Gelegenheit gegeben, einander in dem glitzernden Goldlicht zu halten.
    »Ich habe einen Ellenbogen in die Seite bekommen«, tastete sie sich vor. »Und mir ist jemand auf den Fuß getreten. Ich weiß nicht, was zuerst passierte.«
    Wieder klingelte ihr Handy.
    »Schalten Sie es aus«, sagte Q, und sie drückte das Gespräch weg.
    Es war natürlich Jansson.
    »Wurden Sie absichtlich getreten?«
    Sie schaltete das Handy auf stumm und packte es wieder weg. Dann blickte sie verwundert auf.
    »Ganz sicher nicht«, sagte sie. »Da war ein großer, dicker Mann, der gegen die Frau flog, und sie fiel gegen mich.«
    Etwas regte sich in Qs Augen, ein kurzer Funken des Interesses.
    »Hat sie etwas gesagt, als sie Sie trat?«
    Mit dem gleichen Blick, den sie der Frau mit dem Träger gesandt hatte, bedachte Annika jetzt die in Leder gebundenen Protokolle von 1964, die im Bücherregal standen.
    »Sie suchte etwas in ihrer Tasche«, sagte Annika. »Der Träger war ziemlich kurz, darum musste sie den Arm ein wenig heben, um richtig dran zu kommen, so ungefähr …«
    Sie hob ihren rechten Arm, zeigte, wie sie in einer imaginären Abendhandtasche kramte.
    »Welche Farbe hatte die Tasche?«
    »Silbern«, antwortete sie zu ihrer eigenen Verwunderung ohne Zögern. »Sie war silberfarben und matt und hatte die Form eines Briefumschlags, ungefähr wie die Stromrechnungen.«
    »Was holte sie aus der Tasche?«
    Annika ließ den Blick über die Protokollfolianten schweifen, suchte und suchte. Nichts, nur der Schmerz im Fuß.
    »Es tat weh«, sagte Annika. »Ich habe aufgeschrien. Sie hat mich angesehen.« Zweifelnd blickte sie den Kommissar an.
    »Ja«, sagte sie, wie um sich selbst zu überzeugen, »sie hat mich angeguckt, ganz direkt.«
    »Hat sie etwas gesagt?«
    Annika schwieg einen Moment.
    »Sie hatte gelbe Augen«, sagte sie. »Vollkommen kalte, gelbe Augen, wie Gold.«
    »Gelb?«
    »Ja, goldgelb.«
    »Und wie war sie gekleidet?«
    Sie schloss noch einmal die Augen und hörte die Musik dröhnen, sah den Träger vor sich. Rot wie Blut, rot wie das Leben, oder war das Kleid der blutenden Frau rot gewesen? Oder das Blut? Oder war der Träger vielleicht weiß, weiß wie Schnee auf brauner Haut, oder war die Schulter hell und der Träger schwarz gewesen?
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie betreten. »Mein Bild ist irgendwie schwarzweiß, und dann wird es zum Negativ, ich weiß wirklich nicht …«
    »Gelbe Augen. Waren es möglicherweise Kontaktlinsen?«
    Linsen? Natürlich konnten es Linsen gewesen sein, oder vielleicht waren sie auch gar nicht gelb, sondern grün gewesen?
    Qs Handy begann zu vibrieren, der Klingelton war ein waschechter Schlager,
My number one,
Griechenlands Eurovisionslied, das vor ein paar Jahren

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