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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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aufmunternd; dann richtete er sich auf, um den Rücken zu entlasten, während der Schweiß ihm übers Gesicht strömte. Wieder beugte er sich über den Liegenden. Sehr behutsam bettete er den reparierten Darm in die Bauchhöhle zurück und begann, von innen nach außen arbeitend, einen weiteren Schnitt zu nähen. »Wie hat Ihnen Peking gefallen?« erkundigte er sich, obwohl es ihm gleichgültig war, aber er wollte, daß Tyrer redete. Besser als ein Ausbruch, dachte er. Kann mich nicht um ihn kümmern, bis dieses arme Schwein hier zugenäht ist. »Ich selber bin noch nie da gewesen. Wie hat es Ihnen gefallen?«
    »Ich, na ja… ja, ja, sehr gut.« Obwohl ihn ein wahnsinniger Kopfschmerz quälte, versuchte Tyrer seinen Verstand zusammenzunehmen. »Die Mandschus sind im Augenblick ruhig, deswegen konnten wir uns überall ungefährdet bewegen.« Die Mandschus, ein Nomadenstamm aus der Mandschurei, hatten China 1644 erobert und regierten nun als die Ch’ing-Dynastie. »Wir konnten ohne… ohne weiteres umherfahren… die Chinesen waren… nicht allzu freundlich, aber…« Der Geruch wurde immer schlimmer. Ein Krampf durchlief ihn, und er erbrach sich wieder, dann kehrte er, immer noch mit der Übelkeit kämpfend, an den Tisch zurück.
    »Sie sagten… die Mandschus…?«
    Plötzlich hatte Tyrer das Bedürfnis, laut herauszuschreien, daß ihn die Mandschus und Peking und alles einen Dreck kümmerten. Am liebsten wäre er vor dem Gestank und seiner Hilflosigkeit davongelaufen. »Zum Teufel mit…«
    »Reden Sie mit mir! Reden Sie!«
    »Man… Man sagte uns, daß… daß sie normalerweise ein arrogantes und unangenehmes Pack seien, und man merkt deutlich, daß die Chinesen die Mandschus auf den Tod hassen.« Tyrers Stimme klang belegt, aber je mehr er sich konzentrierte, desto geringer wurde das Bedürfnis zu fliehen. Also fuhr er zögernd fort: »Wie es… Wie es scheint, haben sie alle furchtbare Angst, daß der Tai’ping-Aufstand sich von Nanking aus verbreitet und auch Peking erfaßt, und das wäre dann das Ende von…« Er hielt inne und lauschte gespannt. Er hatte einen furchtbaren Geschmack im Mund, und sein Kopf hämmerte immer stärker.
    »Was ist?«
    »Ich… Ich dachte, ich hätte etwas gehört.«
    Babcott lauschte, hörte aber nichts. »Erzählen Sie weiter, von den Mandschus.«
    »Nun, ja, die, äh, der Tai’ping-Aufstand. Man sagt, daß in den letzten paar Jahren über zehn Millionen Bauern umgebracht worden oder verhungert sind. Aber in Peking ist es ruhig – gewiß, das Niederbrennen und Plündern des Sommerpalastes durch britische und französische Truppen, das Lord Bigin als Vergeltungsmaßnahme anordnete, war den Mandschus eine Lehre, die sie so schnell nicht wieder vergessen werden. Die werden so bald keinen Briten mehr umbringen. Wird denn Sir William so etwas hier nicht auch anordnen? Eine Vergeltungsmaßnahme?«
    »Wenn wir wüßten, gegen wen wir die Vergeltungsmaßnahmen richten müßten, hätten wir schon damit begonnen. Aber gegen wen? Wegen ein paar unbekannter Mörder kann man nicht einfach Edo beschießen…«
    Zornige Stimmen, das Englisch des Sergeants gegen gutturales Japanisch, unterbrachen sie. Dann wurde die Tür von einem Samurai aufgerissen, während hinter ihm zwei andere, das Schwert halb aus der Scheide gezogen, den Sergeant bedrohten und zwei Grenadiere mit gegen den Feind gerichteten Hinterladern im Gang standen. Der vierte Samurai, ein älterer Mann, betrat den Raum. Entsetzt, Canterburys Tod vor Augen, wich Tyrer bis an die Wand zurück.
    »Kinjiru!« brüllte Babcott, und alle erstarrten. Sekundenlang sah es aus, als wolle der ältere Samurai, ebenfalls wütend geworden, das Schwert ziehen und angreifen. Dann fuhr Babcott, das Skalpell in der riesigen Faust, Blut an Händen und Schürze, zu ihnen herum und baute sich, ein gigantischer, diabolischer Mann, vor ihnen auf. »Kinjiru!« befahl er abermals; dann deutete er mit dem Skalpell zur Tür. »Hinaus! Dete. Dete… dozo.« Erbost funkelte er sie alle an; dann kehrte er ihnen den Rücken zu und fuhr fort zu nähen und zu tupfen. »Sergeant, begleiten Sie die Herren ins Empfangszimmer – höflich!«
    »Jawohl, Sir!« Mit der Hand winkte er den Samurai, die erregt miteinander diskutierten. »Dozo«, sagte er, und leise: »Nun kommt schon, ihr miesen, kleinen Schweine.« Wieder winkte er ihnen. Der ältere Samurai gab den anderen ein gebieterisches Zeichen und stapfte davon. Sofort verneigten sich seine drei Begleiter und

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