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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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die Krim mit Zehntausenden von sterbenden Soldaten – hauptsächlich Cholera, Ruhr, Pocken –, all die Verwundeten, die Schreie in der Nacht und am Tag, und dann in der Nacht die Lady mit der Lampe, die Ordnung in das Chaos der Lazarette brachte, Schwester Florence Nightingale, die befahl, gut zuredete, bat und bettelte und immer irgendwie ihre neuen Ideen umsetzte, die säuberte, was schmutzig war, Hoffnungslosigkeit und sinnlosen Tod verbannte und dennoch immer Zeit hatte, zu allen Stunden der Nacht die Kranken und Bedürftigen zu besuchen, mit der Öl- oder Kerzenlampe in der Hand von einem Bett zum anderen ging.
    »Keine Ahnung, wie sie das geschafft hat«, murmelte er.
    »Sir?«
    Flüchtig blickte er auf und sah Tyrer, der ihn mit schneeweißem Gesicht anstarrte. Er hatte ihn vergessen. »Ich dachte gerade an die Lady mit der Lampe«, antwortete er, ließ seinen Mund reden, um wieder ruhiger zu werden, ohne daß es seine Konzentration auf die durchschnittenen Muskeln und beschädigten Adern beeinträchtigte. »Florence Nightingale. Mit nur achtunddreißig Krankenschwestern ging sie auf die Krim und senkte innerhalb von vier Monaten die Todesrate von vierzig pro Hundert auf etwa zwei – pro Hundert.«
    Tyrer kannte die Statistik. »Wie war sie eigentlich – als Mensch?«
    »Schrecklich – wenn man nicht alles genauso sauber hielt, wie sie es verlangte. Davon abgesehen göttergleich – im allerchristlichsten Sinn. Geboren war sie in Florenz – daher ihr Name –, obwohl sie durch und durch Engländerin war.«
    »Ja.« Tyrer spürte die Herzlichkeit des Arztes. »Wundervoll. Absolut wundervoll. Haben Sie sie gut gekannt?«
    Babcotts Blick wich nicht von der Wunde und seinen geschickten Fingern, die den wie befürchtet beschädigten Teil des Darms ertasteten und fanden. Ohne es zu merken, fluchte er. Behutsam begann er das andere Ende zu suchen. Der Gestank wurde stärker. »Sie sprachen vom Holländischen. Wissen Sie, warum einige Japaner Holländisch sprechen?«
    Mit einer enormen Anstrengung riß Tyrer den Blick von den Fingern los und versuchte seine Nasenlöcher zu verschließen. Er spürte, wie sich sein Magen hob, vermochte ihn aber unter Kontrolle zu halten. »Nein, Sir.«
    Struan regte sich. Sofort ordnete Babcott an: »Geben Sie ihm Äther… so ist’s recht. Nicht zu fest zudrücken… gut. Gut gemacht. Wie fühlen Sie sich?«
    »Furchtbar.«
    »Macht nichts.« Wieder begannen die Finger zu arbeiten, scheinbar unabhängig vom Willen des Arztes; dann hielten sie inne. Behutsam legten sie den anderen Teil des durchtrennten Darmes frei. »Waschen Sie sich die Hände; dann geben Sie mir die eingefädelte Nadel – da, auf dem Tisch.«
    Tyrer gehorchte.
    »Gut. Danke.« Babcott begann zu nähen. Sehr präzise.
    »Seine Leber ist nicht verletzt, ein bißchen geprellt, aber nicht eingeschnitten. Auch seine Niere ist in Ordnung. Ichibon – das heißt ›sehr gut‹ auf japanisch. Ich habe ein paar japanische Patienten. Als Bezahlung für meine Arbeit lehren sie mich Wörter und Sätze. Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen beim Lernen.«
    »Ich wäre… Das wäre wunderbar – ichibon. Es tut… Es tut mir leid, daß ich so nutzlos bin.«
    »Das sind Sie nicht. Ich kann das hier nicht allein machen. Ich, na ja, ich kriege Angst. Komisch, aber es ist so.« Sekundenlang füllten seine Finger den Raum.
    Tyrer musterte Struans Gesicht, das jede Farbe verloren hatte, während es vor einer Stunde noch gerötet gewesen war, verzerrt und unheimlich, mit immer wieder zuckenden Lidern. Seltsam, dachte er, seltsam, wie unglaublich nackt Struan jetzt wirkt. Vor zwei Tagen kannte ich noch nicht einmal seinen Namen, und nun sind wir wie Brüder verbunden, nun ist das ganze Leben verändert, wird für uns beide verändert sein, ob wir es wollen oder nicht. Und ich weiß, daß er tapfer ist und daß ich es nicht bin.
    »Ach ja, Sie fragten nach dem Holländischen«, fuhr Babcott fort, fast ohne darauf zu achten, was er sagte, ausschließlich auf seine Arbeit konzentriert. »Seit etwa 1640 waren die Japaner von der Außenwelt abgeschnitten und haben, von China abgesehen, nur Kontakt mit Holländern gehabt. Allen anderen war es verboten, in Japan zu landen, vor allem den Spaniern und Portugiesen. Die Japaner mögen die Katholiken nicht, weil diese sich damals, im 17. Jahrhundert, in ihre Politik eingemischt haben. Einmal, so geht die Sage, wäre Japan fast katholisch geworden. Wissen Sie etwas darüber?«
    »Nein,

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