Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
folgten ihm.
    Unbeholfen wischte sich Babcott mit dem Handrücken einen Schweißtropfen vom Kinn, dann setzte er seine Arbeit fort. »Kinjiru heißt, es ist verboten«, erklärte er und zwang sich zu einem ruhigen Ton, obwohl sein Herz so rasend klopfte wie immer, wenn Samurai mit gezogenen oder auch nur halb gezogenen Schwertern in der Nähe waren und er keine entsicherte Pistole in der Hand hielt. Zu oft hatte man ihn zu dem gerufen, was diese Schwerter anrichten konnten, bei Europäern und den Japanern selbst, denn Kämpfe und Samurai-Fehden gab es in Yokohama, Kanagawa und den umliegenden Dörfern ständig. »Dozo heißt ›bitte‹, dete ›gehen Sie hinaus‹. Bei den Japanern ist es sehr wichtig, immer bitte und danke zu sagen. ›Danke‹ heißt domo. Selbst wenn Sie schreien, müssen Sie diese Wörter benutzen.« Er warf Tyrer, der noch immer zitternd an der Wand stand, einen kurzen Blick zu. »Im Schrank ist Whisky.«
    »Es… Es geht mir gut.«
    »Das tut es nicht, Sie stehen unter Schock. Trinken Sie eine tüchtige Portion Whisky. In kleinen Schlucken. Sobald ich hier fertig bin, gebe ich Ihnen etwas gegen die Übelkeit. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen! Verstanden?«
    Tyrer nickte. Tränen strömten ihm übers Gesicht, die er nicht aufhalten konnte, und er vermochte kaum zu gehen. »Was ist… Was ist denn nur los mit… mir?« fragte er keuchend.
    »Das ist nur der Schock, nicht weiter schlimm. Das geht vorüber. Das ist im Krieg völlig normal, und hier sind wir im Krieg. Ich bin gleich fertig. Dann werden wir uns um diese Mistkerle kümmern.«
    »Wie… Wie wollen Sie das anfangen?«
    »Ich weiß es nicht.« Eine gewisse Schärfe lag plötzlich im Ton des Arztes, als er die Wunde abermals mit einem frischen Leinentupfer von dem ständig kleiner werdenden Stapel säuberte – es mußte immer noch einiges genäht werden. »Das Übliche, vermutlich. Mit den Händen gestikulieren und ihnen erklären, unser Gesandter werde ihnen die Hölle heiß machen und herausfinden wollen, wer Sie angegriffen hat. Natürlich werden sie jede Kenntnis von dem Vorfall abstreiten und damit vermutlich recht haben – sie scheinen niemals irgend etwas über irgend etwas zu wissen. Sie sind ganz anders als alle Menschen, denen ich jemals begegnet bin. Ich weiß nicht, ob sie ganz einfach dumm sind oder schlau und verschlossen bis zur Genialität. Wir scheinen nicht in ihre Gesellschaft eindringen zu können – unsere Chinesen auch nicht –, wir haben keine Verbündeten unter ihnen, können keinen von ihnen bestechen, damit er uns hilft, können nicht einmal direkt mit ihnen reden. Wir sind alle so hilflos. Fühlen Sie sich jetzt besser?«
    Tyrer hatte ein bißchen Whisky getrunken. Zuvor hatte er sich voll Scham die Tränen abgewischt, den Mund ausgespült und Wasser über den Kopf gegossen. »Eigentlich nicht… aber danke. Es geht schon. Was ist mit Struan?«
    Nach einer kurzen Pause antwortete Babcott: »Ich weiß es nicht. Man weiß es nie genau.« Beim Klang weiterer Schritte begann sein Herz wieder zu rasen. Tyrer erbleichte. Ein Klopfen. Und schon wurde die Tür aufgerissen.
    »Großer Gott!« stieß Jamie McFay hervor, ganz auf den blutbesudelten Tisch und die riesige Wunde in Struans Seite konzentriert. »Wird er wieder gesund?«
    »Hallo, Jamie«, grüßte Babcott. »Haben Sie schon gehört…«
    »Ja, wir kommen gerade von der Tokaidō, haben Mr. Struans Spur zu folgen versucht, Dimitri ist draußen. Alles in Ordnung, Mr. Tyrer? Diese Schweine haben Canterbury in Stücke zerhackt und für die Krähen liegenlassen…« Wieder stürzte Tyrer zum Becken. McFay blieb unsicher an der Tür stehen. »Um Gottes willen, George – wird Mr. Struan wieder gesund?«
    »Ich weiß es nicht!« fuhr Babcott auf, und seine niemals endende Hilflosigkeit angesichts des Nichtwissens explodierte in heißem Zorn, weil er nicht begriff, warum manche Patienten am Leben blieben und andere, weniger schwer verwundet, sterben mußten, warum manche Wunden faulten, andere dagegen heilten. »Er hat literweise Blut verloren, ich habe einen durchtrennten Darm genäht, drei Schnitte, drei Venen und zwei Muskeln müssen noch genäht, die Wunde muß geschlossen werden, und Gott allein weiß, wieviel Fäule aus der Luft sie infiziert hat, falls es das ist, woher die Krankheiten und die Gangräne kommen. Ich weiß es nicht! Ich-weiß-es-verdammt-noch-mal-nicht! Und jetzt verschwindet endlich von hier, kümmert euch um diese vier

Weitere Kostenlose Bücher