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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Dies war bei weitem nicht der erste Selbstmordversuch gewesen, mit dem sie es zu tun hatte. Während ihrer fünfundvierzig Jahre als Schülerin, Kurtisane und Mama-san – sie war sogar in der Weidenwelt geboren und ihre Mutter war eine Spezialkurtisane zweiten Ranges gewesen – hatte es Dutzende davon gegeben. Viele Selbstmorde verliefen erfolgreich, einige mit dem Messer, die meisten durch Gift oder Ertrinken, manchmal gab es Doppelselbstmorde zweier Liebender. Aber der Hanas war der schlimmste gewesen.
    Als sie ins Zimmer eilte, fand sie das Mädchen in Agonie, weinend und hilflos; sie hatte sich mehrfach in den Hals geschnitten, aber keine Arterie oder Vene durchtrennt, und auch die Luftröhre war nur geritzt. Ein paar Luftbläschen drangen aus dem Schnitt, der stark blutete, aber eben nicht stark genug. Zusammengekrümmt, das Messer in Reichweite, lag sie auf den Futons, doch ihre Hand vermochte es nicht zu ergreifen, und jedesmal, wenn sie es versuchte, entglitt es ihrem Griff, während sie die ganze Zeit weinte, keuchte und würgte, um Vergebung flehte und schrie: Helft mir… helft mir… helft mir…
    »Sie war über jeden Wunsch, leben zu wollen, hinaus, Furansu-san«, berichtete Raiko traurig. »Ich habe zuviel davon gesehen, um das nicht zu erkennen. Wenn sie diesen Versuch überlebt hätte, sie hätte es immer wieder versucht, ohne Ende. In dieser Welt, ganz sicher aber in der unseren, kommt eine Zeit, da es gut und weise ist, ins Jenseits zu gehen. Wir erlösen Tiere von ihren Qualen; also ist es richtig, einem Menschen denselben Ausweg zuzugestehen. Darum haben wir ihr geholfen. Wir haben sie beruhigt, gesäubert, aufgerichtet, und sie hatte noch Zeit genug zu sagen: Namu Amida Butsu, dann habe ich ihr das Messer an die Kehle gesetzt, und Hana ist friedlich hineingefallen. So ist sie gestorben.«
    »Dann haben Sie… sie getötet… mit… mit getötet?«
    »Das war meine Pflicht als Mama-san«, antwortete Raiko schlicht. Abermals zögerte sie, seufzte. Keine Notwendigkeit für weitere Tränen. Die sind schon lange vergossen worden. Mir sind keine mehr geblieben. Wie oft habe ich, als ich in ihrem Alter war und mein Leben sowie die Art haßte, wie ich meinen Reis verdienen mußte, an denselben Ausweg gedacht, mir mehr als einmal sogar die Handgelenke aufgeschnitten, nur um von meiner Mama-san gerettet zu werden, die mich, wenn es mir wieder gut ging, unbarmherzig verprügelte. Aber sie hatte recht, meine Mama-san, genau wie ich recht hatte, denn sie wußte, daß ich es nicht so ernst meinte wie Hana, und nun kann ich mich nicht einmal mehr an das Gesicht des Jungen erinnern, den sie mir verboten hatte, nur daran, daß er ein Dichter war. »Bevor sie starb, bat Hana mich, Sie in ihrem Namen noch einmal um Entschuldigung zu bitten. Sie zu bitten, ihr zu verzeihen.«
    »Sie… können Sie es… verzeihen, verzeihen?«
    Welch eine seltsame Frage, dachte sie verwirrt. »Daß Hana wie eine Kirschblüte vom letzten Jahr war, vom Wind verweht, braucht man nicht zu verzeihen. Nur ein Blütenblatt der Weidenwelt. Sie existierte, und auch nicht. Verstehen Sie?«
    Völlig durcheinander nickte er, verstand nicht alle Worte, verstand aber, was sie getan hatte, und warum. Er haßte sie und segnete sie, war erleichtert und traurig und von Selbstmordgedanken ebenso erfüllt wie von Hoffnung. »Drei Männer, drei, vor mir. Wer?«
    »Ich weiß es nicht, tut mir leid, nur, daß sie Japaner waren. Ehrlich«, erklärte sie ihm mit ruhigem Blick und verbarg die Namen im tiefsten Herzen, um sie, falls nötig, für oder gegen die Bakufu zu benutzen. »Was die hier betrifft …« Sie öffnete die Hand, und die Perlen schimmerten im Licht der Öllampen. »Einigen wir uns darauf, daß ich dir ein Drittel des Erlöses aus dem Verkauf gebe, dazu alle Medizinen und was immer sonst nötig ist. Ein Drittel wäre…« Sie hielt inne, als sie plötzlich Freund in Drunk Town begriff.
    Die Medizin ist für die Frau, die den Tai-Pan heiraten wird, dachte sie aufgeregt. War sie es nicht, die gestern angeblich Schmuck verloren haben soll? Das muß sie sein, die Perlen sind die Bestätigung… Und wenn sie es ist, eeee, muß die Abtreibung ohne seine Zustimmung und ohne sein Wissen stattfinden, sonst wäre mit Sicherheit Jami-san der Vermittler und nicht Furansu-san.
    »Ein Drittel ist fair«, behauptete sie und wollte selbstgefällig hinzusetzen: für die Gai-Jin-Frau, die den Tai-Pan heiraten wird. Doch als sie sah, wie deprimiert

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