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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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sollen, bevor er starb. Ich hätte niemals tun können, was dieser Feigling tat – ich hätte angegriffen und wäre gestorben«, behauptete Shorin, dessen Knie vor Zorn zitterten.
    »Ja. Ich glaube…« Ori hielt inne; ein plötzlicher Gedanke ließ seinen Zorn verfliegen. »Komm mit«, flüsterte er eindringlich. »Wir werden herausfinden, wohin sie reiten – vielleicht können wir ein paar von ihren Gewehren stehlen.«

4
    Die Barkasse der Royal Navy tauchte aus dem Zwielicht auf und jagte auf die Mole von Kanagawa zu. Die Mole war, im Gegensatz zu den anderen entlang der Küste, solide aus Stein und Holz gebaut und trug ein Schild mit der stolzen, englischen und japanischen Aufschrift: ›Eigentum der Britischen Gesandtschaft, Kanagawa – Unbefugtes Betreten verboten‹. Die Barkasse wurde kraftvoll von Matrosen gerudert und war mit bewaffneten Marinetruppen besetzt.
    Am Ende der Pier wartete einer der Gesandtschafts-Grenadiere. Neben ihm stand ein rundgesichtiger Chinese in langem Gewand mit hohem Kragen, in der Hand eine Stange mit einer Öllampe.
    »Riemen hoch!« kommandierte der Bootsmann. Sofort wurden die Riemen eingehängt, der Bugmann sprang auf die Pier und vertäute das Boot an einem Poller, die Marinesoldaten folgten in disziplinierter Ordnung und formierten sich in Verteidigungsstellung mit schußbereiten Gewehren, während der Sergeant das Terrain studierte. Im Heck saß ein Marineoffizier. Und Angélique Richaud. Er half ihr an Land.
    »Guten Abend, Sir, Ma’am.« Der Grenadier salutierte vor dem Offizier. »Das hier ist Lim, er ist Gesandtschafts-Assistent.«
    Lim starrte das junge Mädchen an. »‘n Abend, Sah, Sie kommen schnell, schnell, heya? Missy kommen macht nichts.«
    Angélique war nervös und besorgt; sie trug ein blaues Seidenkleid mit Reifrock und einen dazu passenden Schal, der ihre blasse Haut und ihr blondes Haar wundervoll unterstrich. »Mr. Struan – wie geht’s ihm?«
    Der Soldat antwortete freundlich: »Ich weiß es nicht, Ma’am, Miß. Doc Babcott ist der beste in diesen Gewässern, also wird der arme Mann wohl gesund werden, so Gott will. Er wird sich sehr freuen, Sie zu sehen – hat schon nach Ihnen gefragt. Wir hatten Sie erst morgen früh erwartet.«
    »Und Mr. Tyrer?«
    »Dem geht’s gut, Miß, nur eine Fleischwunde. Wir sollten gehen.«
    »Wie weit ist es?«
    »Ayeeyah«, sagte Lim gereizt, »nicht weit, chop chop, macht nichts.« Er hob die Lampe, murmelte auf Kantonesisch vor sich hin und marschierte los, in die Dunkelheit hinein.
    Unverschämter Kerl, dachte der Offizier. Er war groß, Lieutenant der Royal Navy, und sein Name war John Marlowe. Als sie Lim folgten, formierten sich die Marines sofort zu einem Schutzwall, die Tete übernahmen ein paar Kundschafter. »Alles in Ordnung, Miß Angélique?« erkundigte er sich.
    »Ja, vielen Dank.« Sie zog sich den Schal fester um die Schultern und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. »Was für ein grauenvoller Geruch!«
    »Ich fürchte, das ist der Kot, den sie hier als Dünger benutzen, und die Ebbe.« Der achtundzwanzigjährige Marlowe hatte sandfarbenes Haar und graublaue Augen und war normalerweise Kapitän der H.M.S. Pearl, einer Dampffregatte mit einundzwanzig Geschützen, amtierte aber jetzt als Flaggleutnant des ranghöchsten Marineoffiziers, Admiral Ketterer. »Möchten Sie eine Sänfte?«
    »Nein, danke. Es geht schon.«
    Überall herrschte Stille, nur gelegentlich hörte man lärmendes, trunkenes Gelächter von Männern und Frauen hinter hohen Mauern, die von Zeit zu Zeit durch kleine, verriegelte Türen unterbrochen wurden. Es gab eine Unmenge dekorativer japanischer Schilder.
    »Sind das Gasthäuser, Hotels?« erkundigte sie sich.
    »Ich denke schon«, antwortete Marlowe vorsichtig.
    Lim, der seine Antwort hörte, kicherte vor sich hin. Er sprach fließend Englisch – erlernt in einer Missionsschule von Hongkong. Da er diese Tatsache jedoch auf Befehl sorgfältig verbarg, nur Pidgin benutzte und sich dumm stellte, kannte er zahlreiche Geheimnisse, die von größtem Wert für ihn, seine Tong-Vorgesetzten und ihren Anführer Gordon ›Illustrious‹ Chen waren, den Comprador der Struans. Ein Comprador, gewöhnlich ein geborener Eurasier vornehmer Abstammung, war der unentbehrliche Mittelsmann zwischen den europäischen und den chinesischen Kaufleuten, der fließend Englisch sowie einige chinesische Dialekte sprach und an dessen Fingern mindestens zehn Prozent sämtlicher Transaktionen kleben

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