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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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um ihr eine Nachricht zu hinterlassen, doch seltsamerweise war ihr Handy eingeschaltet, und als es ein paarmal geklingelt hatte, hörte ich etwas, das so klang wie »Hallo?«.
    »Wieso bist du um diese Uhrzeit wach?«
    »Ich habe vergessen, das Handy auszuschalten.«
    »Entschuldige. Ich ruf dich morgen wieder an. Ich wollte dir nur sagen, dass ich morgen heirate. Ciao.«
    »Ciao.«
    Mir war klar, dass sie gar nichts verstanden hatte. Sie war im Tiefschlaf. Eine Minute später rief sie zurück.
    »Lass mal, ich sag’s dir morgen…«
    »Jetzt hast du mich doch schon aus dem Schlaf gerissen, mit dem Klingeln und vor allem mit dem, was du gesagt hast. Soll das ein Witz sein?«
    »Nein.«
    Ich erklärte ihr alles. Wir telefonierten ziemlich lange und redeten auch über andere Dinge.
    Bevor sie auflegte, sagte sie noch, ich solle ihr die Bomboniera mitbringen.
    Da fiel mir ein, dass ich an der Spring Ecke Mercer Street einen orientalischen Stand gesehen hatte, der Halsketten, Armreifen, Anhänger und Ringe verkaufte. Ich ging hin und kaufte zwei bunte Eheringe.
    Sie lagen in einem Korb mit vielen anderen Ringen und kosteten fünf Dollar. Ich kaufte auch einen silbernen Armreif für Oma. Als ich ihn sah, musste ich sofort an sie denken, obwohl sie normalerweise keine Armreife trägt: Oma trägt nur einen Ehering und Ohrringe, die Opa ihr geschenkt hat, als sie noch verlobt waren. Ich war mir sicher, dass dieser Armreif ihr gefallen würde, denn er war sehr schlicht, ohne aufwendige Verzierungen. Als Kind hatte sie mir zu Gefallen mal einen ganzen Monat lang eine selbstgemachte Kette aus Knete getragen, deshalb konnte ich davon ausgehen, dass sie mein einfaches Geschenk durchaus würdigen würde. Wie glücklich ich damals war, als sie meine Kette trug, mich dafür lobte und betonte, wie sehr sie ihr gefiel. Es war immer schwer, ihr etwas zu schenken, sie wollte nie etwas. Am meisten freute sie sich, wenn ich ihr von meinen Reisen eine Postkarte schickte. Das war die einzige Bitte, die sie jemals geäußert hatte. Deshalb schickte ich meiner Großmutter aus allen Ecken der Welt eine Postkarte. Auch diesmal aus New York.
    Dann ging ich ins Hotel. Für Silvia hatte ich noch nichts Nettes gefunden. Bevor ich schlafen ging, klingelte das Telefon.
    »Hallo.«
    »Hier ist Dante, wie geht’s?«
    »Dante… wieso bist du um diese Zeit noch wach? Bei dir ist es doch jetzt fünf Uhr morgens.«
    »Ich denke nach. Ich war mit einem Freund aus, wir haben ein bisschen getrunken, dann bin ich nach Hause, konnte aber nicht schlafen. Außerdem ist der Hund meines Nachbarn auf dem Balkon und bellt. Vor ein paar Tagen hab ich schon mit einer Schleuder Steinchen nach ihm geschossen, doch am nächsten Morgen hat sein Herrchen sie gefunden und mir gedroht.«
    »Tut mir leid. Ich hoffe, du kannst jetzt bald einschlafen. Also ciao.«
    »Warte mal, ich will dich was fragen, aber sei bitte nicht beleidigt.«
    »Warum sollte ich beleidigt sein? Was willst du wissen?«
    »Hör mal, ich meine… du, aber reg dich bitte nicht auf…, du bist so alt wie ich, hast nie geheiratet, nicht einmal eine Freundin, dein bester Freund ist eine Frau… Plötzlich ist mir ein Verdacht gekommen: Du bist doch nicht etwa schwul?«
    Entschuldige mal, es ist fünf Uhr morgens, und du hast nichts anderes zu tun, als dich um meine Angelegenheiten zu kümmern?, hätte ich am liebsten gesagt. Aber in Wirklichkeit sagte ich nur: »Nein, ich bin nicht schwul. Morgen heirate ich.«
    »Was soll das heißen?«
    »Es war nur Spaß, ich heirate nicht, aber schwul bin ich auch nicht. Schlaf jetzt.«
    »Okay, also entschuldige, ich hoffe, ich habe dich nicht beleidigt. Wann kommst du zurück? Wenn du wieder da bist, gehen wir mal ein Bier trinken, okay?«
    »Okay, Nacht, Dante. Und nimm Eis.«
    »Wie meinst du das?«
    »Anstelle von Steinen, schieß mit Eiswürfeln… die sind morgens wieder weg.«
    »Wow… auf die Idee bin ich gar nicht gekommen. Also ciao, ich seh mal nach, ob ich welche im Gefrierfach habe…«
    »Ciao.«
    Warum hatte ich das mit den Eiswürfeln bloß gesagt? Ich bedauerte es augenblicklich.

Die Hochzeit (-4)
    Meine Hochzeit fand an einem sonnigen Morgen Ende April statt. So eine Verabredung sollte jeder haben, eine Hochzeit, bei der die Brautleute die einzigen Gäste sind. Der Park, den Michela ausgesucht hatte, hieß Jefferson Market Garden und lag zwischen der Greenwich Avenue, der 6th Avenue und der 10th Street. Tatsächlich ein kleiner Garten, voller

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