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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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es nicht mehr ertragen konnte, dass ihre Mutter und andere sie drängten, endlich zu heiraten.
    »Bist du denn grundsätzlich gegen die Ehe? Ich erinnere mich, dass du sauer auf alle warst, die wollten, dass du heiratest…«
    »Ich bin nicht weggegangen, weil ich auf die anderen sauer war, ich bin weggegangen, weil ich selbst in der Krise war, weil ich auf mich selbst sauer war.«
    »Warum warst du denn sauer auf dich selbst? Du warst doch nur ehrlich.«
    »Weißt du, in den Augen meiner Mutter bin ich als Frau gescheitert, weil ich in meinem Alter noch keine Familie habe, weder einen Mann noch Kinder. So ist meine Mutter nun mal, ich kann nichts daran ändern, trotzdem hat es mich nachdenklich gemacht: Bisher habe ich in meinem Leben noch nichts vollbracht, mit dem ich ihr beweisen könnte, dass man nicht gescheitert ist, bloß weil man keine Familie hat. Dazu hätte ich eine überzeugende Alternative gebraucht. Wenigstens eine gesicherte Existenz, einen Lebensplan, eine Überzeugung. Aber ich habe nichts von all dem, bin voller Zweifel und Unsicherheit. Ich sah die skeptischen Blicke meiner Mutter und wusste, dass sie sich für mich schämte, wenn sie mit ihren Freundinnen zusammen war. Für sie war und bin ich bis heute ein Grund, sich zu schämen. Und sie für mich. Ich hätte es nicht zulassen dürfen, wie all diese Leute mich behandelt haben, aber es ist meine eigene Schuld. Wie gesagt, ich war kurz davor, ihre Weltsicht zu übernehmen. Als meine Beziehung mit Paolo in die Brüche ging, fühlte ich mich wie eine Versagerin, weil ich es im Gegensatz zu meiner Mutter nicht geschafft hatte. Ich würde auch gern den Rest meines Lebens mit einem Menschen verbringen, aber nicht mit einem, den ich nicht liebe, bloß weil kein besserer da ist. Keine Silbermedaille. Ich kenne eine Menge Leute, die sich lieber mit einer Silbermedaille, mit einem zweiten Platz zufriedengeben, als alleine zu sein.«
    »Ich glaube, dass die Ehe nur deshalb noch einen so hohen Stellenwert hat, weil sie mit sozialer Anerkennung verbunden ist. ›Ich bin verheiratet‹ heißt so viel wie: ›Ich hab’s geschafft‹, aber: ›Ich bin Single‹, das bedeutet, du bist in der Warteschleife hängengeblieben.«
    »Genau, meine Freundinnen heiraten, weil sie weniger aufrichtig sind als ich. Die einen sind vielleicht schwächer, die anderen nicht so anspruchsvoll. Und zu allem Überfluss gucken sie dann noch mitleidig auf einen herab. Nicht alle, aber viele. Zum Teufel mit der biologischen Uhr! Zum Teufel mit der sozialen Anerkennung!«, skandierte sie lachend.
    Nicht alle, ja, aber ich kenne tatsächlich viele Frauen, die einfach den Nächstbesten geheiratet haben.
    Nach einer kurzen Pause sagte ich: »Michela, ich muss dich was fragen. Willst du mich heiraten?«
    Sie hob den Kopf und sah mich an. »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, anstatt die restlichen Tage einfach so zusammen zu sein, heiraten wir. Dann trennen wir uns an dem festgelegten Tag. Wir entscheiden, wie und wo wir heiraten, wir erfinden unser eigenes Ritual. Zum Spaß natürlich. Was meinst du? Wenn du mich heiratest, bringe ich dir das Pfeifen bei.«
    »Einverstanden. Ich würde dich gerne heiraten. Für vier Tage, natürlich.«
    »Sollen wir gleich hier im Central Park heiraten?«
    »Warum nicht… oder nein, ich habe eine bessere Idee, wenn du willst, zeige ich dir einen ganz besonderen Ort. Er ist klitzeklein, eigentlich kein Park, eher ein Garten. Ich gehe oft dorthin. Wenn du einverstanden bist, würde ich dich gerne dort heiraten.«
    »Du brauchst ihn mir nicht zu zeigen… Ich verlasse mich auf dich.«
    »Er wird dir gefallen, du wirst sehen… aber lass uns morgen heiraten, nicht heute.«
    »Warum?«
    »Weil ich vorher noch mal nach Hause will; ich möchte ein Kleid aussuchen und mit der Idee ins Bett gehen, dass ich am nächsten Tag heirate.«
    »Du hast recht. Brauchen wir Trauzeugen? Wen möchtest du als Trauzeugen?«
    »Keine Ahnung, ich muss erst darüber nachdenken. Als Trauzeugen möchte ich… Dante.«
    »Wen, meinen Kumpel vom Gymnasium, die Nervensäge?«
    »Wie bitte? Nein, ich meinte Dante Alighieri…«
    »Ach so, ich dachte schon… vergiss es.«
    »Oder Neruda oder Virginia Woolf oder Mozart… oder den männlichsten Mann der Welt, Steve McQueen. Ich muss noch darüber nachdenken. Und du?«
    »Keine Ahnung, im Moment fällt mir niemand ein.«
    »Um welche Uhrzeit?«
    »Wie wär’s mit zehn? Danach gehen wir essen.«
    »Okay.«
    Ich rief sofort bei Silvia an,

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