Noch ein Tag und eine Nacht
Dach hatte uns nicht ruhiger gemacht, sondern nur noch erregter. Zu Hause holte ich die Seidenbänder heraus. Wohlweislich hatte ich fünf Stück gekauft, weil man an Michelas Bett nichts anbinden konnte. Zwei davon band ich um die Schenkel wie Strumpfbänder und zwei um die Handgelenke. Als ich alles gut verknotet hatte, verknüpfte ich die Bänder an den Handgelenken mit denen an den Schenkeln. Aus dem letzten Band machte ich eine Augenbinde. Ich fand dieses Spiel mit ihr sehr erregend. Fast so wie das Spiel mit dem Spiegel, den ich von der Wand genommen und auf den Boden gelegt hatte. Michela kniete auf dem Tisch, ich kam von hinten, und im Spiegel unter uns sah ich unsere beiden Körper. Bei dieser Gelegenheit machte sie die scherzhafte Bemerkung, ich sei ein romantischer Erotomane. Ich stellte mir darunter jemanden vor, der eine Rose kauft, um sie ihr in den Hintern zu stecken.
Als wir um vier Uhr morgens noch etwas aßen, bevor wir uns schlafen legten, sagte ich im Spaß zu ihr: »Und wann machen wir ein Kind?«
»Hängt ganz davon ab, welchen Namen du ihm geben willst.«
»Vollkommen d’accord. Wer weiß, welche scheußlichen Namen dir vorschweben. Wenn es ein Mädchen wäre, wie würdest du es nennen?«
»Cassia, Lucia, Michela junior…«
»Michela junior ist nicht schlecht… Und einen Jungen?«
»Giacomo junior, Filiberto, Luigi, Clemente, Giacinto.«
»Bis auf Giacomo junior gefällt mir davon überhaupt keiner. Also keine Kinder. Da könnte man ihn ja auch gleich Veronello nennen.«
»Dann sag du mal.«
»Bei einem Mädchen: Giada, Lucilla, Beatrice. Bei einem Jungen: Matteo oder Alberto wie mein Großvater.«
»Auf keinen Fall. Ich habe eine bessere Idee: Wir machen es nach Geschlecht, wenn es ein Junge wird, entscheide ich, bei einem Mädchen darfst du.«
»Das ist mir zu riskant, Michela. Bei deinen Vorschlägen für Jungennamen will ich es lieber nicht drauf ankommen lassen. Machen wir es lieber umgekehrt: Den Jungennamen suche ich aus und den Mädchennamen du.«
»Meinetwegen. Auch wenn es mir gar nicht passt, dass ich dann meinen Sohn nicht Filiberto nennen kann.«
Ich schwieg einen Augenblick und hing dem Gedanken nach, dass ich wirklich ein Kind mit ihr wollte: Jetzt und hier hätte ich ohne weiteres ja gesagt. Plötzlich begriff ich, warum manche Paare, die sich erst seit kurzem kennen, ein Kind machen. Die Begeisterung ist so ungeheuer, dass man meint, es sei ja keine große Sache, und alles würde schon gutgehen. Vielleicht geht es ja in unserem Alter auch schneller; wenn Leute Kinder wollen, müssen sie vorher nicht erst Jahre zusammen sein. In unserem Alter kommt das Thema schnell auf den Tisch. An diesem Abend hätte ich ja gesagt, es aber nicht »wirklich« so gemeint. Ich hätte es einfach so dahergesagt, als eine Möglichkeit.
Aber nicht im Ernst.
Immerhin waren wir kurz davor, uns zu trennen.
Picknick (-5)
Am nächsten Tag weckte mich ihre Stimme: »Du hast Flügel, Flügel wie ein Engel.«
Ich schlug die Augen auf und drehte mich zu ihr um. Sie begutachtete meinen Rücken.
»Du hast Flügel wie ein Engel, das habe ich jetzt erst bemerkt.«
Da begriff ich, dass sie die Haarbüschel unter meinen Schulterblättern meinte.
»Ekelhaft diese Haare, und völlig überflüssig.«
»Das sind Flügel.«
Es war das erste Mal, dass ich sie unter diesem Gesichtspunkt betrachtete. Ich schlich auf Zehenspitzen durch die Wohnung und tat so, als würde ich fliegen.
Wie versprochen hatte sich Michela ein paar Tage freigenommen, und wir beschlossen, mittags ein Picknick im Central Park zu machen.
Sie machte sich in der Küche zu schaffen, ich hatte die Getränke übernommen und ging los, um sie zu besorgen. Als ich zurückkam, stand ein Picknickkorb auf dem Küchentisch. Wie im Film. Eine Obstschale, Behälter mit Deckeln und Käse. Als ich den Korb hochhob, sagte sie, ich solle ihn stehenlassen, sie werde ihn nehmen.
»Aber der ist schwer.«
»Das schaffe ich schon… du trägst die Decke, die Getränke und das Radio.«
»Bist du sicher?«
»Ich bin stark. Guck mal, was für Muskeln.«
Dann machte sie diese typisch weibliche Geste, meine Lieblingsbewegung, spannte die Armmuskeln an und sagte: »Guck mal, was für Muskeln. Fass ruhig an.« Ich mag es, wenn Frauen das machen. Ein Schlauch mit einer Rille in der Mitte, auf den sie stolz wie Oskar sind, wie Kinder.
»Fühl mal, nun fühl doch mal.«
Unten auf der Straße wollten wir ein Taxi rufen. Ich fragte, ob sie eins
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