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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ihres Kopfes eingeschlossen. Sie konnte sich dort in Gesellschaft befinden.
    Und was, wenn ihr Lady Cushings Gesellschaft nicht behagte?
    Sie ausstoßen wie einen Dämon. Das war nicht unmöglich, kostete allerdings seinen Preis. Ihr Vater hatte in jungen Jahren auch einmal ein Fremdbewußtsein löschen lassen. Allerdings gab es viele Leute, die es vorzogen, ihre Transplantate weiter mit sich herumzuschleppen, auch wenn die Unverträglichkeit unübersehbar war. Genau so, dachte Risa, wie die Leute, die an einer hoffnungslos zerrütteten Ehe festhalten oder sich gegen die Amputation eines unheilbaren Körperteils wehrten; bloß weil sie sich nicht zur Aufgabe von etwas durchringen können, das so lang Teil ihrer selbst gewesen ist, ganz egal, wieviel Leid sie dadurch auch erdulden mußten.
    Da brauchte man als Beispiel nur diesen Owens zu nehmen. Seine Fremdidentitäten trieben ihn fast in den Wahnsinn, trotzdem brüstete er sich mit ihnen.
    Oder Charles Noyes. Dort am Strand hätte ihn sein Transplantat fast überwältigt und verdrängt. Warum ließ er sie nicht wieder löschen? Liebte er das Leben mit der Gefahr, obwohl er ständig darauf gefaßt sein mußte, aus seinem eigenen Verstand hinausgeworfen zu werden?
    Und was, wenn Tandy das auch bei mir versucht?
    So etwas kam vor, wußte Risa. Man sprach im allgemeinen nicht darüber, aber Risa hatte schon davon gehört, daß willensstarke Fremdidentitäten manchmal schwache Wirte überwältigen und zugrunde richten konnten – bis sie schließlich den ganzen Körper übernahmen. Man nannte solche Transplantate Dybbuks, nach irgendeinem mittelalterlichen Mythos. Nach dem Gesetz galt ein Dybbuk, der seinen Wirt völlig vernichtet hatte, als Mörder und wurde zwangsweise gelöscht. Aber die meisten Dybbuks waren zu schlau, um in diese Falle zu laufen. Sie trugen einfach den Namen ihres vernichteten Wirts weiter und ließen sich auch sonst nichts anmerken. Jemand wie James Kravchenko würde, falls er es schließlich doch noch schaffen würde, seinen Wirt statt seiner selbst löschen zu lassen, sich aus persönlichen Sicherheitsgründen weiterhin Charles Noyes nennen; und höchstwahrscheinlich würde niemals jemand hinter diesen Schwindel kommen.
    Risa bekam eine Gänsehaut. Tandy, hast du vor, ein Dybbuk zu werden?
    Sehr starke Persönlichkeiten waren für so etwas anfällig. Sie wachten im Gehirn eines anderen wieder auf und fanden die Vorstellung unerträglich, nur noch den Status eines Fremdbewußtseins zu besitzen. Daher verdrängten sie den Wirt und übernahmen selbst die Führung. Im wahrsten Sinn des Wortes lebten sie dann erneut, nicht nur seelisch, sondern auch körperlich, eine wirkliche Wiedergeburt; falls sie nicht entdeckt wurden.
    Risa wußte, daß Tandy eine starke Persönlichkeit besaß.
    Aber ich auch, jawohl, ich auch. Und wenn ich an Tandys Stelle wäre, würde ich auch versuchen, den Wirtskörper zu übernehmen. Aber ich bin ich, und ich werde sie nicht zum Zuge kommen lassen, wenn sie so etwas versuchen sollte.
    Die Tür öffnete sich. Leonards kehrte zurück und brachte eine längliche Metallbüchse mit, in der sich das aufgezeichnete Bewußtsein von Tandy Cushing befand.
    „Wie fühlen Sie sich?“ fragte er.
    „Ausgezeichnet – und ungeduldig.“
    „Ich muß Sie an dieser Stelle fragen, ob Sie Ihre Entscheidung rückgängig machen wollen?“
    „Seien Sie nicht albern.“
    „Also gut, dann fangen wir an. Ich möchte nur noch feststellen, ob die Droge zufriedenstellend wirkt.“
    „Ich habe noch nichts bemerkt.“
    „Das sollen Sie auch nicht.“ Er zog den Diagnostat wieder heran und machte die entsprechenden Tests. Als der Apparat den Befund ausspuckte, nickte Leonards und lächelte Risa an, um ihr Mut zu machen. „Sie befinden sich jetzt in der maximalen Empfängnisbereitschaft.“
    „Das hört sich aber sehr zweideutig an.“
    „Tatsächlich?“ fragte er und wurde wieder verlegen. Er beugte sich zu ihr hinab und legte ein kühles Metallband um ihre Stirn. „Dies ist für die Transplantation nicht unbedingt erforderlich“, sagte er. „Es hilft Ihnen nur, das Fremdbewußtsein erst einmal kennenzulernen. Wir bemühen uns, alle Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, damit es zu keinem Irrtum kommt. Sie müssen mir jetzt sagen, ob das wirklich das von Ihnen ausgesuchte Bewußtsein ist.“
    „Sicher“, sagte Risa.
    Diese Phase bot keine Überraschungen. Leonards aktivierte die Probe, und Risa fand sich erneut im Kontakt mit Tandy Cushing.

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