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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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letzten Juni erinnern.
    „Das ist auch der Zeitpunkt, wo du dich zum letzten Mal hast aufzeichnen lassen; zwei Monate bevor zu tödlich verunglückt bist.“
    - Ich will dieses Wort nicht mehr hören.
    „Wenn du nicht tot bist, was treibst du dann in meinem Verstand?“
    - Da muß ein Fehler unterlaufen sein. Sie können doch kein Bewußtsein verpflanzen, wenn dessen Körper noch lebt. Manchmal vertun sie sich eben.
    „Nein, Tandy. Gewöhn dich daran.“
    - Das ist nicht einfach.
    „Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber dir bleibt keine Wahl.“
    - Und wenn es doch ein Irrtum ist?
    „Selbst wenn es so wäre, ändert das an dir selbst nichts. Angenommen, Tandy Cushing läuft noch immer irgendwo lebend herum, dann bleibst du doch immer noch da, wo du bist: nämlich als Transplantat in meinem Kopf. Du bist nicht Tandy, du bist nur die gesammelten Erinnerungen und Erfahrungen von Tandy Cushing zu dem Zeitpunkt, wo sie dich hat aufzeichnen lassen. Jetzt hat man dich aus dem Lagerregal genommen und wieder in einen Körper gesteckt. Ich meine, du hast dabei noch großes Glück gehabt. In jedem Fall ist Tandy tot. Du bist alles, was von ihr übriggeblieben ist.“
    In Risas Kopf herrschte nun Ruhe. Das Fremdbewußtsein mußte das Gehörte erst verdauen.
    Auch Risa stellte Überlegungen an. Sie war immer noch an die Couch gefesselt. Das Licht war ausgegangen, sie wußte nicht, ob Leonards sich noch immer im Zimmer aufhielt. Vorsichtig und sachte nahm sie an verschiedenen Stellen Kontakt mit dem Transplantat auf. Sie bekam eine Erinnerungsvorstellung von Tandys Äußerem kurz vor ihrem Tod: groß, dunkelhaarig, spitze, feste und große Brüste. Eine Männerhand fuhr sann über diesen Busen, hob ihn und genoß seine Größe. Die Fingerspitzen strichen über die Brustwarzen. Aha, so fühlt sich das also an, dachte Risa. Man ist sich seiner großen Brüste weniger gewahr, als ich dachte. Plötzlich glitt Risa in Tandys Lebenszeit zurück bis zu dem Zeitpunkt, wo sie elf Jahre alt war und im Spiegel stirnrunzelnd ihre aufknospenden kleinen Brüste betrachtete. Dann, als Risa fünf Jahre weiter nach vorn forschte, sah sie eine Tandy, die in einem Privatjet über der Sahara brauste, neben einem kräftigen, dunkelhaarigen Mann.
    Das habe ich noch nie getan, dachte Risa. Und doch weiß ich jetzt, wie das ist. Ich bin Tandy!
    Sie drang nicht weiter in das Fremdbewußtsein ein. Später war immer noch Zeit genug, das Erinnerungsvermögen von Tandy Cushing zu durchforschen. Für Risa steckte die Welt plötzlich voller Wunder: alle Dinge erschienen in neuem Licht und in neuen Dimensionen. Risa sah jetzt durch vier Augen, sie hatte noch nie zuvor Farben so gesehen, weder ein Grün, noch ein Rot noch ein Gelb. Und noch nie zuvor hatte sie die Süße des Weins so geschmeckt und sich vom Duft der Blumen so berauschen lassen.
    „Tandy?“ sagte sie. „Wie ist es jetzt?“
    - Besser. Du bist also eine Kaufmann.
    „Ja, zu deinem Glück.“
    - Warum hast du gerade mich genommen?
    „Du scheinst mir sehr interessant zu sein.“
    - Du bist noch ziemlich jung für solche Sachen.
    „Ich bin über sechzehn, wie du sicher festgestellt hast.“
    - Ja, das habe ich. Aber ich war bereits vierundzwanzig und hatte zu jener Zeit noch keine Transplantation gehabt.
    „Wünschst du dir denn jetzt, du hättest eine gehabt?“
    - Ich wollte warten, bis ich fünfundzwanzig war.
    „Ich warte niemals auf etwas“, sagte Risa. „Auf nichts und niemand.“
    - Das merke ich. Wir haben eine Menge Themen vor uns, über die wir uns unterhalten müssen.
    „Dafür steht uns alle Zeit der Welt zur Verfügung. Du wirst für immer bei mir sein, Tandy.“
    - Für immer?
    „Natürlich. Beim nächsten Mal, wo ich mich aufzeichnen lasse, wird dein Bewußtsein mit meinem zusammen aufs Band kommen. Eines Tages werde ich auch verpflanzt, und du wirst mich zu meiner nächsten Wiedergeburt begleiten.“
    - Es gibt Leute, die sich auf diese Weise mächtig langweilen.
    „ Wir nicht“, sagte Risa. „Das verspreche ich dir, wir nicht.“
    Die Schnallen öffneten sich. Risa setzte sich auf, sie fühlte sich ein wenig schwindlig. Leonards sah sie zögernd an.
    „Sie haben die Verpflanzung gut überstanden“, sagte er.
    „Hab ich das? Ausgezeichnet.“
    „Wie geht es Ihnen?“
    „Ich bin sehr glücklich“, sagte Risa. „Und wie weiter jetzt?“
    „Wir bringen Sie in eine Ruhekammer. Dort legen Sie sich hin, entspannen sich und lernen Ihr Gastbewußtsein besser

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