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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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brüskieren zu müssen. Und das veranlaßte ihn, lieber gar keine Entscheidung zu treffen.
    Als zehn Minuten verstrichen waren und Roditis sich etwas ruhiger fühlte, befahl er dem Gleiter, loszufliegen und in Richtung Osten auf den Ozean zuzusteuern. Dröhnend startete die Maschine.
    „Möchten Sie zu einem bestimmten Ort?“ fragte der Robotpilot.
    „Fahr immer nach Osten, bis ich etwas anderes sage.“
    Roditis schloß die Augen. Schon nach kurzer Zeit strömte die Erinnerung an Paul Kaufmann in sein Bewußtsein. Schon diese winzige, schmerzliche Kostprobe von dessen Geist hatte für Roditis ausgereicht, ihn unverrückbar zu überzeugen. Der alte Mann mußte sein werden. Es war für ihn kein bloßer Wunsch mehr, es war seine Bestimmung geworden.
    Und wenn Santoliquido sich gegen ihn entscheiden würde?
    Das war nur schwer vorstellbar. Roditis kannte niemand, der den hochgeladenen Geist Paul Kaufmanns beherrschen konnte. Natürlich blieb dem Direktor auch die Möglichkeit des geringsten Widerstands, nämlich Kaufmann einfach im Depot zu lassen. Er hatte diese Möglichkeit ja bereits angedeutet. Bei diesem Mathematiker, Horst Schaffhausen, war er ja auch so verfahren. Aber der Direktor hatte einen Ruf zu verlieren. Er konnte sich nicht öffentlich demütigen. Ihm blieb nichts anders übrig, als Paul Kaufmann jemand zu übergeben.
    Und wenn Santoliquido auf Druck von Mark Kaufmann einen Strohmann fand, dem er die Transplantation überlassen konnte?
    Roditis lächelte. Damit würde unverzüglich ein Dybbuk entstehen. Seine Anwälte würden sofort Anzeige erstatten. Paul Kaufmann würde wieder aus dem Kopf des Strohmanns gelöscht und in die Seelenbank zurückgebracht. Dort konnte Roditis ihn erneut beantragen.
    Was wäre allerdings, wenn Santoliquido tatsächlich jemanden auftreiben konnte, der stabil genug war, um sich von Paul Kaufmann nicht unterkriegen zu lassen?
    Das wäre weniger schön, aber nicht aussichtslos. Roditis kam zu dem Schluß, daß in einem solchen Fall ein Anschlag arrangiert werden mußte: Ein tragischer Unfalltod, Paul Kaufmann und sein verstorbener Wirt wieder in der Seelenbank, Roditis stellte wieder seinen Antrag. Wie es auch kommen mochte, Roditis würde die Transplantation im Endeffekt erhalten. Nachdem er einmal davon gekostet hatte, würde er diesen Wunsch nie mehr unterdrücken können.
    Er öffnete die Augen. Der kleine Helikoptergleiter befand sich jetzt weit draußen auf dem Atlantik. Obwohl der Frühling offiziell bereits begonnen hatte, sah das Meer unter ihm dunkel und unheilvoll aus. Hohe Wellen rollten beweglichen Bergen gleich heran, türmten sich immer mehr auf und brachen dann zusammen. Durch das Außenmikro hörte Roditis das Tosen der aufgewühlten See. Er befahl dem Robotpilot, tiefer zu fliegen, nur etwa hundert Meter über dem Wasser. Der Gleiter war eigentlich für Kurzstreckenflüge vorgesehen, und der Grieche setzte seine Sicherheit aufs Spiel, wenn er allein und in einem solch zerbrechlichen Fahrzeug aufs Meer hinausflog, aber Roditis fühlte sich von der Gefahr angezogen. Der Treibstofftank unter seinem Sitz war voll. Er hätte den Atlantik überqueren und bis Europa fliegen können.
    Auf der Wasseroberfläche erschien plötzlich der massige Körper eines Wals. Roditis studierte den Fleischberg und beobachtete, wie auf einmal ein Wasserstrahl aus dem Nasenloch schoß. Welch ein Bild der Kraft! Der Schwanz des Tieres stieß hoch, die Flossen zerschnitten die Wellen. Dann tauchte der Wal unter und war kurz darauf verschwunden. Der Paul Kaufmann des Ozeans, dachte Roditis. Ein Titan der Meere.
    „Zurück nach New York“, befahl er dem Robotpilot.
    Stürmische Böen beschleunigten den Rückflug. Als die Küste in Sicht kam, ließ Roditis sich mit Noyes verbinden und entdeckte ihn abgespannt und völlig erschlagen in seinem Apartment.
    „Es hat alles nichts genützt“, sagte Roditis. „Santoliquido zögert immer noch.“
    „Aber Elena hat gesagt …“
    „Elena ist eine unfähige Schlampe. Santoliquido fürchtet sich vor Mark Kaufmann, und der wehrt sich immer noch gegen mich als Träger des alten Mannes. Wir sitzen fest. Der Direktor wollte mir jedes Bewußtsein geben, über das er verfügt, bis auf das eine. Sogar einen weiblichen Geist hat er mir angeboten.“
    „Du machst Witze, John!“
    „Ich hätte Katerina Andrabowna haben können. Daran kannst du ermessen, wie sehr er die Hosen voll hat.“
    Noyes senkte den Kopf und murmelte: „Ich dachte, alles sei

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