Noch einmal leben
machen wollen …“
„Und ich gehe aus diesen Auseinandersetzungen als Sieger hervor“, sagte der Grieche. „Ich lebe, er ist bloß ein wiedererwecktes Bewußtsein. Ich werde mir seinen Rat anhören, aber ich lasse mir von ihm nicht auf der Nase herumtanzen.“
„Falls er ein Dybbuk wird …“
„Unmöglich.“
„Ich biete Ihnen die freie Auswahl unter allen Seelen, die wir im Depot haben – bis auf die eine.“
„Wollen Sie sich über mich lustig machen?“
Mit leiser Stimme fuhr der Direktor fort: „Ich könnte für Sie sogar etwas am Rande der Legalität arrangieren. Hätten Sie Interesse an einer transsexuellen Transplantation? Wie wäre es, wenn ich Ihnen beispielsweise das Bewußtsein von Katerina Andrabowna überließe? Sie ist eine ganz außergewöhnliche Kombination von Sinnlichkeit und Intellekt, eine wirklich bemerkenswerte Frau …“
„Steht es schon so schlimm?“ fragte Roditis. „Stecken Sie in derartigen Schwierigkeiten, Frank, daß Sie selbst einen Gesetzesbruch erwägen müssen. Womit hat man Sie eigentlich in der Hand?“
„Wer sollte mich in der Hand haben?“
„Die Kaufmanns.“
„Niemand übt auch nur den geringsten Einfluß auf mich aus“, sagte Santoliquido unter sichtlicher Anstrengung, sich zu beherrschen. Roditis war wirklich verwundert, in diesem ansonsten ausdruckslosen Gesicht so viel Zorn zu sehen. „Ich treffe meine Entscheidungen alleine.“
„Mark Kaufmann will nicht, daß ich das Bewußtsein seines Onkels bekomme. Dafür legt er sich mächtig ins Zeug. Und Sie bieten mir jetzt das ganze Depot an, alles was ich will, wenn ich nur die Sache mit dem alten Paul bleiben lasse. Sie haben mir sogar etwas ausgesprochen Unübliches angeboten, um es höflich zu sagen. Daraus kann man doch nur schließen, daß Sie wirklich bis zum Hals drinstecken. Sie möchten mir gefällig sein, wollen aber andererseits auch Mark Kaufmann nicht auf den Schlips treten. Und dabei laufen Sie Gefahr, sich in zwei Teile zu zerreißen.“ Roditis legte dem Direktor eine Hand auf die Schulter. „Ich kann mir vorstellen, was Sie durchzustehen haben“, sagte er merklich freundlicher. „Aber ich verlange von Ihnen doch nichts Unmögliches. Nur daß Sie Ihre Pflicht tun. Ich bin der ideale Träger Paul Kaufmanns. Mark wird sich mit der Zeit schon an die Vorstellung gewöhnen, sobald er einmal herausgefunden hat, daß ich kein Ungeheuer bin.“
„Darüber sollten wir an diesem Ort nicht reden.“
„Dann gehen wir doch in Ihr Büro.“
Selbst im babylonischen Luxus seines Büros war es Santoliquido noch äußerst unbehaglich zumute. Er nahm in rascher Folge mehrere Alkoholampullen, lief unruhig im Zimmer auf und ab und blieb dann eine ganze Weile vor Kozaks Schallskulptur stehen. „Lassen Sie mir noch ein paar Wochen, John“, sagte er schließlich.
„Sie wollen doch nur Zeit gewinnen.“
„Vielleicht, aber ich kann jetzt einfach noch keine Entscheidung treffen. Sie wissen, daß ich mit dieser Entscheidung leben muß, und zwar immer, mein Leben lang. Lassen Sie mir noch ein paar Wochen. Am 15. Mai werde ich bekanntgeben, wer den Geist von Paul Kaufmann erhalten soll. Einverstanden?“
„Mir bleibt keine Möglichkeit, Sie darauf festzunageln“, bemerkte Roditis.
„Ich halte mein Wort.“
Roditis ließ seine Augen auf dem Direktor ruhen. Er wußte, daß ein Mann wie Santoliquido sein Wort nicht auf die leichte Schulter nahm. Seine Vorfahren verpflichteten ihn dazu. Ein ‚Söldnerhauptmann’ wie Roditis, der keine solche Ahnenkette aufweisen konnte, mochte ein feierlich gegebenes Versprechen brechen, wenn das für ihn von Nutzen war – aber nicht Santoliquido. Zumindest versuchte der Grieche, sich so mit dieser Konstellation der Ereignisse abzufinden.
„Also gut“, sagte Roditis. „Wägen Sie Ihre Entscheidung sorgfältig ab, Frank. Und lassen Sie sich nicht von Mark zu etwas Kurzsichtigem zwingen.“
Als Roditis das Gebäude wieder verlassen hatte, machte er erst einmal seiner Wut Luft – und das nicht zu knapp. Lange Zeit blieb er in seinem Gleiter sitzen. Er kochte. Aggressive Hitzewellen rollten durch sein Inneres. So viel hatte man also von Elena Volterras Hilfe zu erwarten! Und so viel von Noyes’ Plänen! Die Lage war noch immer so, wie bei Paul Kaufmanns Tod … Roditis war noch keinen Zentimeter vorangekommen. Santoliquido sprach noch immer mit gespaltener Zunge. Der Direktor zeigte nur eine Maske. Darunter zitterte er vor dem Gedanken, einen der Mächtigen
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