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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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höhnisch einen tiefen Knicks, »mag ich auch eine Schlange sein: hab ich doch einen schönen Mann im Bett und hab von ihm empfangen!«
    »Giftspinne!« schrie meine Schwester, »denkst du, deine Sünde erhebt dich über mich?«
    Und plötzlich fuhr sie los auf die Gavachette und schlug ihr links und rechts ins Gesicht.
    »Ha, Madame! Eine Schwangere zu schlagen, das ist verboten!« schrie die Gavachette, die ihr, glaube ich, jeden Schlag heimgezahlt hätte, wäre ich nicht dazwischengesprungen und hätte Catherine mit meinem Rücken an weiteren Angriffen gehindert, so heftig sie mich auch wegzudrängen suchte. Mein Vater sah mich im Kreuzfeuer der beiden Furien, stand auf und kam mir zu Hilfe, indem er Catherine befahl, auf ihr Zimmer, und der Gavachette, in ihre Küche zu gehen. Was beide gleichsam zähneknirschend taten, mit blitzeschleudernden Augen, ob schwarz, ob vergißmeinnichtblau.
    Als sie mit wütendem Röckeschwenken, Leinwand der eine, Brokat der andere, nach ihrer Seite abgegangen waren, fragte Jean de Siorac: »Pierre, was war der Anlaß dieser Hackerei?«
    Halblaut berichtete ich ihm, während er rastlos auf und ab schritt, außerstande, jemals Ruhe zu halten, immer rührig und rüstig, so ergraut er auch war, immer gerade aufgerichtet, die Hände in den Hüften, die Waden straff, und den Damen zu Ehren in einem blaßgrünen Seidenwams – der Lieblingsfarbe meiner seligen Mutter. Dieses Wams hatte er sich 1567 machen lassen, um mich in Barbentane bei den Montcalms abzuholen, und er hatte es in den verflossenen fünf Jahren so wenig getragen, daß der Stoff aussah wie neu, nur war der Schnitt »total aus der Mode«, wie man in Paris gespottet hätte. Und trotzdem bot der Baron von Mespech, wohlgeschaffen wie er war, eine stattliche und beeindruckende Erscheinung.
    »Ach, mein Pierre!« sagte er mit einem Seitenblick aus seinen lebhaften, lustigen Augen, »es sieht nicht so aus, als könnte Euch jemals Not an Frauen drohen, eher Überfluß, verlangend und zärtlich, wie Ihr von Natur seid. Dafür ist sogar |39| eine Schwester empfindlich, die nicht einmal nachts Eure goldene Kette ablegt. Was die Gavachette angeht: Auch wenn ich es nicht gutheiße, daß unter meinem Dach ein schwangeres Weib geschlagen wird, so meine ich doch, sie hat die Ohrfeigen verdient, sie ist zu jedermann hier unerträglich dreist. Solche Mädchen«, fuhr er fort, indem er mich freundlich bei den Armen faßte, »sind bequem zu lieben, aber nicht ungefährlich, weil wir nur zu leicht vergessen, daß eine Magd ebenso Weib ist wie eine galante Dame und immer nur zusieht, wie sie unsereinem das Halfter über den Kopf werfen kann.«
    Dabei stieß er einen Seufzer aus, und mir schwante, daß die Franchou ihm wohl gehörig zusetzte, seitdem sie argwöhnte, daß Zara in ihren Gefilden wilderte.
    »Was nun Catherine angeht«, fuhr er fort, »so ist sie ganz wie ihre selige Mutter, innig denen zugetan, die sie liebt, die anderen werden verachtet, und hochfahrend ist sie gegen alle, schlägt mit sämtlichen vier Hufen aus und läßt sich nicht zähmen. Alsdann, Herr Sohn«, fuhr er lachend fort, »welche der beiden Mänaden wollt Ihr mitnehmen nach Bordeaux, die Gavachette oder Catherine? Denn beide, das geht wohl nicht.«
    »Darüber hatte ich bis jetzt nicht nachgedacht«, sagte ich, »und nun überlege ich. Daß Catherine nicht am Landleben hängt, wo sie keine Bewerber findet, und lieber in einer großen Stadt wäre, von der sie sich wunder was erwartet, verstehe ich gut. Aber ich würde Euch«, setzte ich sinnend hinzu, »ihres strahlenden Angesichts nicht berauben wollen.«
    »So sehr strahlt es nicht«, sagte mein Vater, »wenn Samson und Ihr nicht hier seid. Catherine wiehert nach jüngeren Pferden, als in unseren alten Mauern sind. Pierre, wenn Ihr sie mitnehmen wollt, tut es ohne Rücksicht auf mich.«
    »Ich weiß nicht, ob ich es will«, sagte ich zaudernd. »Gewiß liebe ich sie mit großer brüderlicher Liebe, aber …«
    »Aber?« fragte mein Vater. »Ach, Pierre«, und wieder lachte er, »kommt mir nicht mit ›aber‹, solange Ihr nicht nachgedacht habt. Zeit dazu bleibt genug, Samson reist erst am 15.«
     
    Der Schnee nahm auch am nächsten Morgen kein Ende, es schneite und schneite, und so dicke Flocken und so dicht, daß ich vom Fenster des Waffensaals den Kirchturm von Marcuays jenseits der Schlucht kaum erkannte, wie wenn ein weißer |40| Fransenteppich vom Himmel fiele, der den halben Horizont verhüllte und alle

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