Noch immer schwelt die Glut
mit jener stummen, stillen und scheinheiligen Miene, die man unsere jungen Mädchen von klein auf lehrt. Doch wie ich sie kannte, betrübte die Abreise unserer Damen sie gar nicht, wie sie vorgab, so liebend gern sie auch heimlich in deren Zimmer war, mit ihnen schwatzte, sich mit ihrem Putz schmückte und mit den Farben spielte, mit denen sie sich die Gesichter bemalten. Vielmehr fand sie, daß ihr vergötterter Vater ihnen eine Aufmerksamkeit schenkte, die einzig ihr gebührt hätte, denn weil meine Mutter nicht mehr war, fühlte sich Catherine als Dame des Hauses auf Mespech, wenigstens bis zu ihrer Hochzeit. Nur daß sie daran im stillen ein wenig zu verzweifeln begann, hatte sie doch mit Barberine die möglichen Prätendenten im Sarladischen schon gezählt und begutachtet, aber keinen jungen Edelmann entdeckt, der sie genügend ansprach, um ihre kleinen Krallen nach ihm auszustrecken.
Denn Krallen hatte sie und dazu einen guten Schnabel, begegnete ihren Brüdern mit unglaublichem Hochmut und Eigensinn, redete uns steif mit »Ihr« und »Herr Bruder« an, schalt und triezte uns, litt weder Kuß noch Umarmung und kehrte uns bei der kleinsten Mißhelligkeit mit gereiztem Schwenk ihres Reifrocks die kalte Schulter. Mit ihren Brüdern meine ich nicht etwa François, dem sie nie einen Blick gönnte, so wenig konnte sie ihn ausstehen, sondern Samson und mich, denen sie, ohne es offen zu zeigen, in großer, eifersüchtiger Liebe anhing, ein Grund mehr, Gertrude wenig zu schätzen, und schon gar nicht meine Gavachette, mit der sie immerhin aufgewachsen und, um drei Tage Unterschied, im selben Alter war.
Nach Aufhebung der Tafel, während Alazaïs, Miroul und Florine die Stühle ans Feuer rückten – die Bibliothek war in dieser Frostnacht zu kalt, um sich mit den Damen dorthin zu begeben –, nahm Catherine mich am anderen Tischende beiseite und hakte sich bei mir ein.
»Mein Herr Bruder«, sagte sie, »wie ich von Samson höre, habt Ihr den Plan, nach seiner Abreise mit Dame Gertrude du Luc nach Bordeaux zu gehen und Euch dort als Arzt niederzulassen.«
|37| »Das habe ich vor, ja«, sagte ich, ziemlich verärgert, daß Samson nicht dichtgehalten hatte. Allerdings konnte er noch so verschwiegen sein, verstand es Catherine doch immer, ihm, was sie wissen wollte, aus der Nase zu ziehen.
»Wie kommt es«, sagte sie, indem sie ihren Arm aus meinem zog und zornig ihre blonden Locken schüttelte, »wie kommt es, daß Samson das weiß und ich nicht?«
»Mein Fräulein Schwester«, sagte ich ziemlich entrüstet, daß sie mich gleichsam zum reuigen Sünder machen wollte, »haben wir einen Vertrag miteinander, daß ich Euch alles sagen muß?«
»Das nicht. Nur hättet Ihr es aus Bruderliebe tun können«, sagte sie und zog eine Schippe.
Aber ich blieb eisern, und als sie sah, daß sie mich nicht in die Knie zwang, überwand sie sich, mir ihren Arm, ihr Lächeln, ihre schönen Vergißmeinnichtblicke wieder zu gönnen, und hielt mir ihre Wange hin.
»Nun gut, Pierre«, sagte sie, »ich vergebe Euch. Küßt mich!«
Was ich tat, aber, so närrisch ich diesem Geschlecht auch gewogen bin, ohne Überschwang, eher wie eine lauernde Katze, eine Pfote vor, eine verhaltend, voller Mißtrauen nach solch gewinnender Einleitung und der Krallen im Samt gewärtig. Auf der Hut, das erspähte ich aus dem linken Augenwinkel, war auch die Gavachette, die unweit ihre Öhrchen schweifen ließ, indem sie – sonst so faul – scheinbar ganz emsig den großen Tisch hinter uns putzte.
»Ihr werdet«, fuhr Catherine fort, nachdem sie meinen Kuß erwidert hatte, »in Bordeaux also Wohnung nehmen, und solange Ihr Eure Angelina nicht habt, werdet Ihr eine Frau brauchen, die Euch das Haus führt und Miroul und seiner Florine gebietet. Warum nehmt Ihr nicht mich? Ich könnte das sehr gut, glaube ich.«
Auch wenn ich eine Antwort hierauf gewußt hätte, mir wäre keine Zeit dazu geblieben, denn schon war mit wutfunkelnden Augen die Gavachette zur Stelle.
»Madame«, sagte sie, die Hände in den Hüften, »wenn es in diesem Haus eine Frau gibt, die Pierre nach Bordeaux mitnehmen sollte, dann bin ich es ja wohl, die ihm Annehmlichkeiten bietet, womit eine Schwester nicht aufwarten kann.«
»Was?« schrie Catherine, das Haupt gereckt und völlig |38| außer sich, »du Wachtel wagst es, mir ins Wort zu fallen? Du willst mich aus dem Felde schlagen? Verschwinde zu deinem Spülicht, Sudlerin! Schlange!«
»Madame«, sagte die Gavachette und machte ihr
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