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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Geräusche schluckte; zwar hörte ich unsere Hähne krähen, aber nicht ihr Echo von den Nachbarhöfen, und sogar das Degengeklirr, das mein Samson und der Fechtmeister Giacomi im Saal veranstalteten, kam mir gedämpfter vor als sonst.
    Miroul und der große, dicke Fröhlich neben mir schauten stumm und staunend, wie Giacomi, ohne auch nur um Haaresbreite von der Stelle zu rücken, allein mit unmerklichen Bewegungen des Handgelenks die Klinge meines Bruders abwehrte und dann mit so raschem Ausfall seine Brust traf, daß man meinte, ein Vogel hätte zugehackt.
    »Ho, Samson!« sagte Giacomi mit seinem anmutigen italienischen Akzent, »Ihr seid zurückgewichen, hütet Euch! Es ist Sache der Klinge, die Klinge zu parieren! Nicht des Oberkörpers!«
    »Ich werd’s mir merken«, sagte Samson, der von uns dreien der gehorsamste Schüler, nicht aber der beste war, weil er langsam begriff und zu spät reagierte.
    Wie unvergleichlich gewandt erschien mir dagegen Giacomi! Diese wohlgebildeten Gliedmaßen, diese langen Arme und Beine, die sich so sparsam und gemessen bewegten, daß es ein Wunder war, mit wie wenig Aufwand er genau zu treffen verstand! Und wie liebte ich sein ovales Gesicht, in dem alle Züge fröhlich aufwärts strebten: die Augenwinkel, die Mundwinkel, sogar seine Nase war aufgestülpt. Von hohem Stande, ein Muster an Höflichkeit, gut und edel, wenn auch Papist, hatte er mir im blutrünstigen Gewimmel zu Paris Hilfe und Beistand geleistet.
    »Giacomi«, sagte ich, nachdem der Kampf beendet war, indem ich ihn in eine Fensternische zog, »beschämt sehe ich, wie du deine Kunst an so geringe Herren wie uns verschwendest, du, der im Louvre Silvies Gehilfe und der Lehrmeister großer Herren warst. Und sosehr ich dich hier zu halten wünschte – wie auch mein Vater –, möchte ich doch um ein Königreich deinem Glück nicht im Wege sein.«
    »Was soll das heißen?« sagte Giacomi, die Brauen runzelnd. »Daß du, wenn es dich lockt, am 15. mit Quéribus und seiner Eskorte getrost reisen magst.«
    »Oho, mein Bruder!« rief Giacomi mit gespieltem Ärger, |41| »habe ich Euch mißfallen? Seid Ihr gegen mich erzürnt? Verbannt Ihr mich in die Vorhöfe Eurer Freuden?«
    Aus dieser, in fröhlichen Spott gewandeten Rede ersah ich, daß Giacomi bei mir bleiben wollte, und ich lachte getröstet, doch mit einigem Herzklopfen.
    »Giacomi!« sagte ich, vor Erregung einen Kloß in der Kehle, »du weißt genau, daß mein Herz seit Sankt Bartholomäus mit ehernen Klammern an deinem hängt.«
    »Bruder«, sagte Giacomi, »werden wir nicht rührselig und zerfließen einer über des anderen Wohltaten in Tränen. Freundschaft gleicht einer Viola, man soll ihre Saiten nicht überspannen.«
    Dies begleitete er mit einer sehr italienisch beredten Geste seiner Linken, worauf er zum Fenster hinausblickte.
    »Und du?« fragte er leichten Tons, »willst du über den Winter auf Mespech bleiben?«
    »Oh, nein! Nach Abreise unserer Damen will ich als Arzt nach Bordeaux gehen, eine schöne große Stadt, und sehr wohlhabend durch ihren Seehandel.«
    »Nun denn«, sagte Giacomi lächelnd, »wenn du willst, folge ich dir dorthin. So wie du Patienten, werde ich Schüler finden.«
    Da sah ich, als ich den Kopf wandte, wie geknickt mein guter Fröhlich dreinschaute, behagte ihm doch die Landarbeit wenig, zu der er auf Mespech gebraucht wurde, aber er getraute sich nicht zu fragen, ob ich ihn mitnähme nach Bordeaux, wohl wissend, daß ich Miroul hatte und nicht reich genug war, zwei Diener zu bezahlen.
    Mir blieb aber kaum Muße, meinen guten Schweizer aufzumuntern: Zur Saaltür herein schob Escorgol seine dicke Wampe und meldete ganz außer Atem, an unserem Tor heische ein Reitersmann, gefolgt von einem Pagen, Einlaß und nenne sich meinen Freund.
    An unserem Escorgol war das Besondere, daß er trotz seines dicken Riechkolbens nicht besser als andere roch, dafür mit seinen winzigen Ohren aber hörte wie kein zweiter im sarladischen Land. Sein Gehör war so fein, daß er, wie es hieß, ein barfüßiges Kindlein fünfzig Klafter von Mespech auf einer Wiese gehen hörte, weshalb er bei uns Pförtner war. Auch sah er scharf, obwohl seine Augen zwischen den Liderfältchen fast verschwanden.
    |42| »Hat er seinen Namen genannt, Escorgol?«
    »Er wollte nicht, Moussu, er will seinen Namen nur Euch nennen.«
    »Kennst du wenigstens seine Stimme?«
    »Nein. Auch seinen Dialekt nicht, sein Okzitanisch ist nicht von hier.«
    »Und sein Gesicht?«
    »Das

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