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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Verfemte in Stücke zu hauen?«
    |47| »Nein, nein,
mi fili
«, sagte Fogacer, »nicht dabei will ich ihm helfen, ich will ihn nur von seinen Leiden befreien. Das einzige Blut, das ich zu zapfen gedenke, ist seines, auf daß es, weil’s blau ist, mich vor Verfolgung schütze.«
    Ich lachte und versicherte Fogacer, daß er auf Mespech bleiben könne, solange er wolle, mein Vater wisse, daß er mir zu Montpellier das Leben gerettet hatte, als die Richter mir wegen der bewußten Grabschändungen und meines Liebesaktes mit einem teuflischen Unterrock an den Kragen wollten.
    Der Schnee fiel auch in den Tagen nach Fogacers Ankunft so dicht und dick, daß er uns Wege und Stege rundum zu versperren drohte, schon war die Straße nach Sarlat zugeweht und wir vom Sitz der Seneschallei abgeschnitten. Was, wie die Greise in unseren Dörfern sagten, im Périgord seit siebenundsechzig Jahren nicht mehr vorgekommen war. So einigten sich die Herren Brüder denn mit den Adligen der Nachbarschaft, dieser Unbequemlichkeit mittels ihrer Hintersassen zu wehren und wenigstens die Wege zwischen Marcuays und den Burgen freizuhalten, eine Sisyphosarbeit, die den armen Leuten sehr sauer wurde, mußten sie doch, schwitzend im eisigen Wind, Wege freischaufeln, die am nächsten Morgen wieder zugeschneit waren, eine endlose Fron, die sie den Grundherren schuldeten und der sie sich nur widerwillig beugten, weil sie keinen Lohn dafür erhielten. Als einzige Baronie schenkte Mespech ihren Leuten heiße Suppe aus, aber nur einmal am ganzen langen Tag.
    Ich wollte beim Räumen der Wege um Mespech helfen, Samson auch (François fand die Sache natürlich unter seiner Würde), und kaum wurde mein Entschluß bekannt, gab es keinen gesunden Mann auf Mespech, der nicht mitmachte, Giacomi, Fogacer, ja Quéribus sogar, der sich ungeachtet seiner geckischen Eleganz ins Zeug legte, um ja nicht weniger zu schuften als ich. Wahrlich, es war ein harter Tag für uns und unsere schmerzenden Hände! Nur Giacomi hatte die seinen mit Handschuhen geschützt, damit seine Kunst nicht leide. Wie gierig verschlangen wir unseren Imbiß, als wir bei Einbruch der Dunkelheit zurückkehrten nach Mespech! Und wie freudig begrüßten Quéribus, Samson und ich das lodernde Feuer und die hellen Lichter in Gertrudes Kemenate, wo wir unsere reizenden Damen höchst beschäftigt fanden, Kleider und Schmuck für |48| das Fest am 10. November auszuwählen. Ha, wie es raschelte von Seiden und Brokaten, wie es von Perlen schimmerte und von Steinen! Betörende Düfte gingen um, und süßes Geplapper! Was hatte ich doch für ein Glück, dachte ich, in diesen Wonnen schwelgend, daß ich auf einer Burg geboren war und nicht in einer Kate.
    Meine kleine Schwester war auch dabei, und liebevoller zu Gertrude, als sie es je gewesen, denn in ihrer Güte trat diese ihr zum Ball ein sehr hübsches Kleid ab, das nur in der Taille enger gemacht und ein wenig gekürzt werden mußte, damit es richtig paßte.
    »Baron«, sagte Gertrude, nachdem Quéribus sie zurückhaltender als sonst begrüßt hatte, vielleicht weil Catherine zugegen war, »Ihr seid der Erfahrene in höfischen Bräuchen, bitte, ratet uns: Ich finde die Rubine zum Rosaton des Kleides passender, Catherine ist mehr für die Perlen.«
    »Das kommt darauf an«, sagte Quéribus, der sich ernsthaft wie ein Richter seines Schiedsamtes annahm. »Wenn Ihr das rosa Kleid tragen würdet, schöne Gertrude, wäre ich für die Rubine, weil beide Farben in natürlicher Verwandtschaft stehen. Wenn aber Dame Catherine mit ihren sechzehn Jahren es trägt, finde ich die Milchweiße der Perlen ihrer Jungfräulichkeit feiner angemessen.«
    Hiermit warf er Catherine einen eindringlichen Blick zu und machte ihr eine tiefe Verneigung, worauf sie mit den Wimpern schlug und heftig errötete.
    »Baron«, sagte Gertrude, für die Quéribus als Vertrauter des Herzogs von Anjou in diesen Dingen nicht irren konnte, galt doch der Herzog
urbi et orbi
als Musterbild der Eleganz, »Euer Spruch ist uns Gold wert und sehr galant: Wir werden Euren Rat beherzigen.«
     
    Schöne Leserin, die Sie dies lesen und sicherlich das Fieber vor einem Ball kennen, auf dem Sie doch ums Leben gern zu Ihrem Vorteil und in all Ihrem Glanz erscheinen wollen – ich flehe zum Himmel, Sie möchten es mir nicht allzusehr verübeln, daß ich Ihnen dieses Fest am 10. November nicht schildere, wie Sie es vielleicht erwarten. – »Warum denn nicht, Monsieur?« – Weil die Zeit drängt: Ich

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