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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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ich, indem ich mich auf einen Schemel neben sein Lager setzte, während der Diener oder Page, wie Fogacer sagte, sich einen halben Klafter von seinem Herrn auf den Fußboden kauerte und ihn nicht aus den Augen ließ, so als könnte er sich in Luft auflösen, sähe man nur eine Viertelsekunde nicht hin, »deine Tugend, Fogacer, wurde schon öfter angezweifelt, besonders in Montpellier, wenn ich nicht irre.«
    »Wäre es nicht eine Schmach«, sagte Fogacer mit seinem langsamen, gewundenen Lächeln, »wenn ich aufhörte zu sein, was ich bin? Nur weil mein Wesen denen nicht gefällt, die über Galgen und Scheiterhaufen gebieten und meine Tugend namens verstaubter Prinzipien, die der Nacht des Glaubens entstammen, als Verbrechen brandmarken?«
    »Verbrechen oder Tugend, Freund, was hast du in Périgueux angestellt, daß dir das Feuer drohte?«
    »Ich liebte«, sagte Fogacer tiefernst, ohne irgend zu witzeln oder zu feixen, »auf die einzige Weise, wie ich lieben kann, und das einzige Geschöpf, das mich liebenswert dünkt. Aber, wie edel meine Liebe auch war und wie rein in meinem Herzen, wurde sie plötzlich doch als ›abscheulich und satanisch‹ verschrien von besagten Mächtigen. Und so bin ich verzweifelt auf der Flucht, jage mit verhängten Zügeln durchs Land, fürchte um mein Leben, fürchte um sein Leben vor allem«, setzte er hinzu, indem er mit der Rechten die blonden Locken seines Pagen streichelte, der sie sogleich in seine Hände nahm und voll unendlicher Dankbarkeit mit Küssen bedeckte.
    »Dieser Kleine«, fuhr Fogacer fort, indem er ihm sanft seine Hand entzog, tiefer bewegt, als ich ihn je gesehen hatte, »fronte zu Paris für einen Schausteller. Nachdem der ihm seine Tricks eingebleut hatte, ließ er ihn hart und gefährlich arbeiten, ohne jeden Lohn, nur für eine Wassersuppe, im übrigen setzte es Hiebe und Prügel, gelegentlich mit einer Flut von Beschimpfungen gewürzt. Nun beging aber der Schuft in Paris eine Sauerei, mußte also die Hauptstadt mit seiner Truppe verlassen und zog von Stadt zu Stadt, sein Brot durch Späße und Gaukeleien zu verdienen. Und ich, der ich über allen Verstand von der Lieblichkeit meines kleinen Sylvio betört war, konnte nicht anders, als mit über die Straßen des Reiches zu ziehen, indem ich die Mitglieder der Truppe ohne jede Vergütung behandelte.«
    |46| »Ach, Fogacer! Du, einer der Leibärzte des Herzogs von Anjou! Und stürzt dich in solche Mummereien! Mit Landstreichern!«
    »Trahit sua quemque voluptas!«
1 sagte Fogacer mit einem Seufzer. »Doch weiter. In Périgueux nun bewog ich diesen Engel – denn ein Engel ist er, sowohl im Herzen wie in seiner leiblichen Hülle –, seinen Tyrannen sitzenzulassen und mit mir zu fliehen. Die ganze Zeit, solange meine Leidenschaft seinen Interessen diente, hatte der Schausteller milde die Augen zugedrückt, nun plötzlich, da ich ihn verließ, schlug ihm sein christliches Gewissen, und er schwärzte mich beim Bistum von Périgueux«, hier senkte Fogacer die Stimme, »als Sodomiten und Gottesleugner an, denn der Elende hatte beobachtet, daß ich selten zur Messe ging. Worauf das Bistum mir einen feisten Büttel in die Herberge schickte, damit er mich festnehme, ich besagten Büttel mit klingender Münze schmierte, damit er mich laufen ließe, und stehenden Fußes entfloh, denn es stank um mich nach Brand und Schwefel, und wer wüßte besser als ich, daß die Verfemten in diesem Reich keine Gerechtigkeit erhoffen können.«
    »Die Verfemten, Fogacer?«
    »Hugenotten, Juden, Atheisten, Sodomiten. Und als der letzten beides kann man mich doppelt verbrennen, obwohl einmal reichte. Ha, grausames Jahrhundert! Welch ein Eifer, mein Lieber, sich Gott gefällig zu machen auf Kosten des Menschen!«
    Hiermit brach er in Gelächter aus, aber mit der Miene eines, der tausendmal mehr Grund hatte zu weinen.
    »Woher wußtest du, daß du mich auf Mespech findest?« fragte ich nach einer Weile Schweigen.
    »Erst in Sarlat hörte ich zu meiner großen Erleichterung, daß du der Bartholomäusnacht mit heiler Haut entronnen bist. Mein Pierre«, fuhr er fort, indem er sich aufsetzte und mir in die Augen blickte, »kann ich auf Mespech bleiben, bis sich die klerikalen Nachstellungen gelegt haben? Danach gedenke ich über Bordeaux nach La Rochelle zu gehen. Wie ich hörte, belagert mein Herr die Hugenotten, die sich dort verschanzt haben.«
    »Ach, reizender Verfemter«, sagte ich lächelnd, »mußt du dem Herzog von Anjou helfen, andere

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