Noch mehr Krimikatzen
nichts Einschüchterndes in seiner Art. Er trug sein angegrautes Haar militärisch kurz geschnitten, und er schien in guter Verfassung zu sein. Sein sonnengebräuntes oder wettergegerbtes Gesicht schaute freundlich drein, und ich schätzte ihn auf Anfang Fünfzig. Er trug dunkelgraue Cordjeans und ein blaßblaues Frackhemd mit einer Paisley-Krawatte. Eine gewisse Vorsicht stand in seinen Augen, die mich glauben ließen, daß ihnen nicht viel entgehen würde. Die Polizisten, die ich kannte, die lange Streifendienst gemacht haben, bekommen alle diesen Blick.
Ich stellte mich vor, wies mich aus und mußte feststellen, daß er von meiner Zulassung als Privatdetektivin nicht besonders beeindruckt war, ein Umstand, den ich zu ignorieren gelernt habe. Ich sagte ihm, ich hätte ein persönliches Interesse an der Geschichte, da ich einer der Flugpassagiere gewesen sei, daß ich aber außerdem einen Klienten hätte. Ob er mir irgendwie weiterhelfen könnte?
»Nein, hier sind Sie an der falschen Stelle, meine Dame«, sagte Richards. Seine Stimme war tief und hatte einen starken texanischen Einschlag. »Das FBI hat die Sache übernommen, und ich kann nur soviel sagen, daß wir zwei Verdächtige in Gewahrsam haben.«
»Zwei Verdächtige? Die Schwester von James Knipstein ist eine Freundin von mir, und sie ist auch diejenige, die mich engagiert hat. Wer ist der andere Verdächtige?«
Seine Augen verengten sich, und ich konnte sehen, daß er zwar alles wußte, mich aber fortschicken würde. »Es tut mir leid, Mrs. Gordon… mmh… tja… mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Sie sollten Agent Brown aufsuchen…«
Es war an der Zeit, meine Freundschaft mit Larry ins Spiel zu bringen. »Ich bin eine Freundin von Lieutenant Hays…«
Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Sagen Sie mal, sind Sie die Witwe von Tommy Gordon?«
»Ja.«
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
Seine Haltung mir gegenüber veränderte sich völlig, da er mich ins Polizeifamilienalbum einordnen konnte. »Tommy war ein guter Polizist. Ich bin ein paar Wochen mit ihm Streife gefahren, als er frisch von der Akademie gekommen war.«
Er führte mich in ein Büro, winkte mich in einen Stuhl und setzte sich hinter den Tisch, wo wir etwas länger über die alten Tage quatschten und uns bald mit Vornamen anredeten. Schließlich kamen wir wieder auf den Fall zu sprechen. »Was ist das für eine Geschichte, Ken?« fragte ich. »Warum zwei Verdächtige? Es gab nur einen maskierten Gangster.«
»Roger Cantu, der zweite Mann, ist ein Student von der Universität von Texas. Man fand ihn kurz nach Knipsteins Verhaftung in der Gepäckabteilung. Er befand sich bloß drei Fuß von der Stelle entfernt, wo ein Teil der Beute versteckt war. Sie dachten erst, er sei ein Komplize, als er aber bei einer Gegenüberstellung von einigen Passagieren als der Gangster identifiziert worden ist, änderten sie ihre Meinung.«
»Warum halten sie dann Knipstein noch fest?«
»Weil auch Knipstein von einigen als der Gangster identifiziert worden ist. Aber keiner der Passagiere konnte sich zwischen den beiden entscheiden. Und niemand außer Ringo, dem Flugsteward, hat die Stimme des Verdächtigen deutlich gehört. Er liegt immer noch mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Durch den Tod des Mädchens ist er völlig zusammengebrochen, so daß die Ärzte niemanden mit ihm reden lassen.«
»Und dieser FBI-Beamte…« Ken schien mit sich zu ringen, und wahrscheinlich war die Tatsache, daß er Tommy gekannt und gemocht hatte, schließlich ausschlaggebend. Soviel konnte ich in seinem Gesicht lesen, als er sich entschied, mehr zu sagen. »Teufel noch mal, ich weiß es nicht. Es gab mal eine Zeit, da konnte ich ganz gut mit diesen Leuten vom FBI zusammenarbeiten – jedenfalls mit den Leuten der alten Schule –, aber unter den neuen mit ihren Hochschulabschlüssen gibt es viele, die glauben, wir einfachen Polizisten würden keinen einzigen vernünftigen Gedanken zustande bringen.«
Er stand auf und fing an, durch den Raum zu laufen. Dann blieb er stehen und starrte auf seine Füße hinunter, die von enormer Größe waren und in einem Paar der größten Turnschuhe steckten, die ich außerhalb einer Profi-Basketball-Veranstaltung gesehen habe. Irgendwie paßten sie nicht zu seiner sonstigen Aufmachung.
»Weißt du, Jenny«, fuhr er fort, »ich mag es nicht, wenn Leute umgebracht werden, insbesondere junge Leute, und ich verspüre dann den starken Wunsch, mich persönlich an
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