Noch nicht mal alleinerziehend
von Freunden und der Familie, Kerzen, Steine, ein Buddha und alle Bücher, die Nora für ihre Arbeit brauchte oder liebte.
Nora ging zur Haustür, holte ihre Sonntagszeitung und machte sich dann in der Küche einen frischen Kaffee. Gut, dachte sie, nachdem sie einen großen Schluck aus dem dampfenden Becher genommen hatte. Sie las in Ruhe die Zeitung, rief dann Sophie an, um zur Schwangerschaft zu gratulieren und die Wogen zu glätten. Dann verordnete sie sich ein intensives Schönheitsprogramm: duschen, Körper- und Gesichtspeeling, Feuchtigkeitsmaske für Gesicht und Dekolleté, eincremen von Kopf bis Fuß und ein neuer Lack für Hände und Füße. Ein bisschen Fernsehen und ein kurzer Schönheitsschlaf waren auch noch drin. Ein Sonntag ganz nach Noras Geschmack.
Um kurz vor neun sprang sie in ein Taxi, das bereits seit zehn Minuten vor der Haustür mit laufendem Motor auf sie wartete. Sie hatte sich gegen ihr Auto entschieden. Mariano wohnte mitten in der Stadt, und auf Parkplatzterror hatte sie heute keinen Bock. Aber sie wollte auch nicht, dass er sie abholte.
Sie hatte gut eine Stunde auf ihrem Bett gesessen und ihren Kleiderschrank angestarrt. Was sollte sie bloß anziehen? Sie wollte gut aussehen, das war klar! Auf keinen Fall zu overdressed, aber auch nicht zu casual. Kein Kleid. Auch kein Rock, aber Jeans? Letztlich entschied sie sich für eine blaue Seidenhose, nicht zu eng, nicht zu weit, weiße Chucks, ein weißes V-Neck und eine taillierte, weiße Strickjacke. Um den Hals trug sie einen blau-weißen Schal, und weil es draußen noch recht kühl war, hatte Nora auch ihre blaue Lederjacke übergezogen. Sie war nur wenig geschminkt: Wimperntusche, ein bisschen Rouge und ein zartes Lipgloss waren alles. Ihre Haare hatte sie in einem Zopf gebändigt. Zum Abschluss gab es einen Spritzer ihres Lieblingsparfüms »White Patchouli« – aber wirklich nur einen Hauch. Nora war eine große Freundin von gut inszenierten Understatements. In ihre blaue Ledertasche stopfte sie eine Flasche Prosecco. Dieses Blubberwasser schien das Einzige in ihrem Kühlschrank zu sein, das nie ausging.
Sie war zehn Minuten zu spät, als sie vor Marianos Haus stand, also genau pünktlich. Das fünfstöckige Haus, in dem er wohnte, war ein imposanter, kernsanierter Altbau. Neben der Haustüre aus massivem Holz hing ein großes, glänzendes Messingschild, auf dem vier Namensschilder angebracht waren. Maracedo stand ganz oben. Sie klingelte.
»¿Nora?! Du musst kommen in den vierten Stock«, meldete sich Mariano.
Die Tür öffnete sich, gleichzeitig ging das Licht im Hausflur an, der eher wie eine Empfangshalle wirkte und mit weißgrauem Marmor ausgekleidet war. An der Decke hing ein pompöser Kronleuchter, und überall war Stuck angebracht. Am Ende des gut acht Meter langen Flurs befand sich ein auf alt getrimmter Fahrstuhl mit verzierten Eisentüren. Links davon führte eine marmorne Treppe in die oberen Etagen. Nora nahm den Fahrstuhl. Von außen hatte sie fünf Etagen gezählt, aber der vierte Stock schien der letzte zu sein. Mariano stand bereits in der Wohnungstür, als sie den Fahrstuhl verließ. Lässig lehnte er am Türrahmen und strahlte Nora an. Er trug eine verwaschene Jeans, braune Boots und ein veilchenblaues T-Shirt, das nicht nur seinen dunklen Teint noch mehr zur Geltung brachte, sondern auch seinen perfekt trainierten Oberkörper betonte. Muskulös, aber nicht aufgepumpt, so wie es sein sollte. Yes!, dachte Nora und sagte leise: »Hi!«
Er kam ihr zwei Schritte entgegen, umarmte sie leicht und drückte ihr einen Kuss auf die linke und einen auf die rechte Wange. »So schön«, sagte er nur. »Bitte, komm rein.«
Er machte Nora den Weg frei und führte sie in seine Wohnung. Nora verschlug es fast den Atem: Sie stand in dem größten Wohnraum, den sie jemals gesehen hatte. Ein Saal mit roten Backsteinwänden, bodentiefen Fenstern und Fischgrätenparkett über die gesamte Fläche. Eine offene Küche mit Kochinsel zur rechten. Ein runder Esstisch, der bereits für Zwei eingedeckt war und den eine große Vase mit langstieligen Lilien zierte, stand nicht weit von ihr entfernt. Lilien standen überhaupt überall. Auf dem Klavier, am Fuße des Klaviers, auf der silbernen Kommode gegenüber, auf dem Tisch zwischen den drei rotbraunen Sofas im hinteren Teil des Raums. Einige Meter dahinter befand sich eine große Schwingtür. »Da ist die Dachterrasse«, erklärte Mariano, der ihrem Blick gefolgt war. Ein paar Meter links
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