Noch nicht mal alleinerziehend
vollkommen zusammenbricht.« Nora schmunzelte, sie zitierte soeben ihre psychologische Beraterin. Rosa hatte ihr von einem Klienten erzählt, der mit 52 angefangen hatte, Psychologie zu studieren, nachdem er früher Steuerberater und dann 15 Jahre Vorstandsmitglied einer großen Bank war. Heute hatte er eine eigene Praxis. Dieses Beispiel hatte Nora ziemlich beeindruckt und gleichzeitig entspannt. »Ich habe zwei neue Klienten, und es läuft ganz gut an. Solange ich mich bei der Imageberatung nicht völlig verbiegen muss und nicht alles in mir ›Nein!‹ schreit, verschaffe ich mir damit Raum, bis ich weiß, was ich tatsächlich machen möchte. Ich baue mir quasi meine finanzielle ›Freio‹-Zone. Ach, und dann habe ich mir noch einen Nebenjob gesucht.« Zufrieden schaute Nora Frauke an.
»Diese Psychonummer hat dir tatsächlich richtig gutgetan, oder?«
»Yep!«
»Gehst du noch zu ihr?«
»Ja, wir müssen ja noch rausfinden, was ich als nächstes werden will …«, sagte Nora mit einem Schmunzeln. »Aber da ich nicht mehr irre bin, muss ich auch nicht mehr so oft hin.«
Frauke lachte. »Und, vermisst du deinen jungen …«
»Nope.«
»Nora! Du bist unmöglich! Ich fasse zusammen: Du bist zwar geheilt, aber quasi arbeitslos und darüber hinaus auch mittellos. Du stehst auf jüngere Männer, benutzt sie, um dann, wenn sie dich sexuell nicht mehr überraschen können, ihr Herz zu fressen. Wie eine schwarze Witwe. Ich weiß nicht, ob das die Eigenschaften sind, die dich qualifizieren.«
»Für was qualifizieren?«
»Na, für das, was ich mit dir vorhabe?«
»Frauke, ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst …«
Diese streichelte über ihren immer größer werdenden schwangeren Bauch, in dem sich, wie sie Nora mitgeteilt hatte, ihre zweite Tochter immer breiter machte. »Nora, Sven und ich würden uns freuen … Nein, wir wünschen uns, dass du Nadjas Patentante wirst. Wir könnten ein bisschen coole Unterstützung gebrauchen. Was meinst du?«
Nora war ganz gerührt. »Seid ihr euch da sicher?«
»Würde ich sonst fragen? Das war für uns schon klar, als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin.«
Nora sprang auf und veranstaltete einen Freudentanz und schrie: »Yiiiiiiiahhhhh!« Kinder und Erwachsene starrten sie erschrocken an. Dann fiel sie Frauke um den Hals. »Klar kann ich mir das vorstellen. Auf jeden Fall! Das heißt …« Nora setzte sich wieder neben Frauke und schaute sie ernst an.
»Was?«
»Unter einer Bedingung …«
Frauke schürzte die Lippen. »Die da wäre?«
»Ich heiße auf keinen Fall TANTE Nora. Es ist euch verboten, vor dem Kind das Wort Tante mit meinem Namen in Verbindung zu bringen. Ob ich dabei bin oder nicht. Ist das klar?«
»Das geht klar, du Hippe!«
Nora umarmte Frauke und drückte sie an sich. Ihr war so, als kullerte Frauke eine Träne die Wange herunter.
»Also, ich habe das schon genau vor Augen. Ihr erstes Wort wird ›Nein‹ sein, dann fände ich ›alleine‹ schön, oder wie wäre es mit ›will aber‹. ›Cool‹, ›krass‹ und ›geil‹ sollten die nächsten sein …«
»Nora?!«
»Keine Sorge! Mir liegt nichts ferner, als meinen neuen Status bei euch zu gefährden. Schließlich gehöre ich ja jetzt quasi zur Familie.«
»Du hast schon immer zur Familie gehört, du blöde Kuh!«
»Ja, aber jetzt so richtig, mit Titel und so.«
Sie lachten.
»Apropos Familie. Wie läuft’s denn mit Sophie seit eurer großen Aussprache?«
Nora hatte Sophie vor einiger Zeit angerufen, kurz nachdem sie mit Rosas bunten Figuren den Kreis ihrer Vertrauten neu bestimmt hatte. Es ging ihr zwar gegen den Strich, dass Sophie sich nicht einmal bei ihr gemeldet hatte, um diesen unsäglichen Streit aus der Welt zu schaffen, aber sie wusste: Wenn sie sich nicht meldete, würde Sophie trotzig schweigen, bis ihr zweites Kind auf der Welt war. Das Gespräch war zunächst ziemlich eisig verlaufen. »Ich würde nichts von dem zurücknehmen, was ich damals gesagt habe«, hatte Sophie auf ihrem Standpunkt beharrt, um dann einlenkend hinzuzufügen: »Aber sicherlich bin ich etwas übers Ziel hinausgeschossen.« Nora verbuchte das auf dem Konto »Entschuldigungen«. Seitdem gingen sie zwar kritisch, aber behutsam miteinander um, wenn sie sich samstags bei ihren Eltern trafen.
»Nun, ich würde sagen, es geht so in Richtung ›Warschauer Pakt‹. Etwas unterkühlt, aber kooperativ. Eigentlich sind wir noch total angepisst voneinander, aber wir wissen, dass es nur zusammen geht. Ist
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