Noch nicht mal alleinerziehend
jetzt – das Kind fast rüttelnd – durch das Wohnzimmer. Nora schaute sich weiter suchend in der Küche um. Hier stand doch mal eine wirklich stylische Espressomaschine. Ein wahrer Traum von Koffeinspender aus Chrom. Um die hatte Nora Nina immer beneidet. Aus einer ähnlichen hatte Mariano Nora gestern Abend nach dem Essen einen Traum-Latte gezaubert. Bevor sie sich auf die Couch zurückgezogen hatten. Bevor sie die halbe Nacht geknutscht hatten. Aber nur geknutscht! Nora war ein anständiges Mädchen. Sie lächelte kurz bei dem Gedanken daran, bis sie feststellte, dass sich auf dem alten Platz für die Espressomaschine nun ein – penibel gefalteter – Stapel Lätzchen befand. Ungläubig nahm sie das oberste in die Hand und betrachtete es. »Sag mal, bügelst du die etwa?«
»Ja, klar«, antwortete Nina und schaute Nora an, als hätte die sie gerade gefragt, ob sie sich auch schon mal die Beine rasiert hätte. »Stefan, Stefan, Stefan …«, versuchte sie das herzzerreißend weinende Bündel zu beruhigen – ohne damit aufzuhören, ihn hin und her zu schütteln.
»Nina, ich kann die Espressomaschine nicht finden …«
»Ja, die hat jetzt meine Schwester. Wir trinken keinen Kaffee mehr. Jaaaaa, jaaaa, so ist’s besser, oder?!« Nina schaukelte ihren Sohn im rechten Arm und streichelte ihm mit der linken Hand den Bauch. »Er hat gerade mit Koliken zu kämpfen. Ich dachte eigentlich, das hätten wir hinter uns.«
»Warum trinkt ihr keinen Kaffee mehr?«
»Tee ist einfach viel gesünder, vor allem, weil ich ja noch stille.«
»Und Frank trinkt auch keinen mehr?« Nora konnte sich keinen Grund vorstellen, warum auch Ninas Mann dem Kaffee entsagen sollte.
»Nee. Und er meint, er fühlt sich jetzt auch viel besser. Mach dir doch einfach einen Tee. Die sind beide echt super lecker.«
»Mmmmh …« Augenblicklich erinnerte sie sich an den letzten Tee, den sie – aus Solidarität – mit Nina getrunken hatte. Ein Sud aus Himbeerblättern – echt abartig bitter. Aber Nina hatte damals frühzeitige Wehen, und ihre Hebamme hatte ihr versichert, dass dieses Gebräu dem »sachte, aber effektiv« entgegenwirken würde. Und weil Nina damals tatsächlich unter schlimmem Koffein- und Nikotinentzug litt und dementsprechend gelaunt war, hatte Nora sich aus Solidarität auch einen Becher dieses Gesöffs runtergezwängt. Auf eine weitere Begegnung mit Tees aus dem Reformhaus wollte sie auf jeden Fall verzichten. Für immer!
Nora öffnete den Kühlschrank. Cola, ein Glück! Sie goss sich ein großes Glas ein und setzte sich an den Esstisch. »Und wie lange willst du noch stillen?«, fragte sie aus reiner Höflichkeit.
»Ach, ich stille ja eigentlich schon ab«, sagte Nina und deutete mit dem Kopf in Richtung Sofaecke, wo auf einem Beistelltisch eine riesige Pumpe stand.
»Was ist das?«
»Na, eine Milchpumpe!«
Die Chippendale-Lampe, die früher dort geleuchtet hatte, entsprach viel mehr Noras Sinn und Vorstellung von gelungener Inneneinrichtung.
»Ich hatte ja solche Probleme mit meinen Milchdrüsen, weißt du. Die waren sooooo eng, dass Stefan vor lauter Anstrengung beim Trinken immer eingeschlafen ist, ohne je richtig satt geworden zu sein. Der ist dann immer vor Hunger aufgewacht und hat nur geheult. Das war furchtbar. Und dann hatte ich auch immer so wunde Brustwarzen. Und diese Stillhütchen haben auch nicht geholfen …«
»Mmmh«, sagte Nora, der das eigentlich viel zu viel an Information war. Dennoch nickte sie und versuchte, ein verständnisvolles Lächeln aufzusetzen.
»Aber das mit dem Abpumpen klappt echt super. Die Gerdemie hat das auch so gemacht.«
»Wer?«, fragte Nora.
»Na, die Gerdemie aus dem La Leche Club!«
»Dem was?«
»La Leche, meine Stillgruppe.«
»Du bist in einer Stillgruppe?«
»Das weißt du doch.«
»Nee, das weiß ich nicht. La Leche …?«, Nora lachte laut auf. »Was macht ihr denn im La Leche Club?«
»Wir tauschen uns aus – übers Stillen.«
Nora bekam einen regelrechten Lachanfall, als sie sich vorstellte, wie eine Gruppe von Frauen mit hochgezogenen Pullovern und Still- BH s im Kreis zusammensaß. Ihre Kinder an die eine, ausgepackte Brust gedockt und mit der freien Hand die wunde Brustwarze der anderen reibend.
»Nora, das ist nicht witzig. Du hast ja keine Ahnung, was da alles plötzlich auf einen zukommt. Da wird Stillen zum Politikum. Man will ja schließlich das Beste für sein Kind. Und wenn das nicht richtig klappt, dann könnte man schon mal durchdrehen,
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