Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
erotische Verirrung. Apropos: Wer einen Cluburlaub alleine bucht, um sich für eine oder zwei Wochen noch einmal wie früher den Freuden des enthemmten Single-Daseins hingeben zu können, wird seiner Partnerin anschließend ohne zu erröten sagen können: »Schatz, ob du’s glaubst oder nicht, ich war dir absolut treu!«
SIE Glück
Mein Mann hatte mal 6 Richtige im Lotto. Was für ein Glück! Pech war nur, er hatte vergessen, den Schein abzugeben. Seitdem ist er mir nicht weniger sympathisch, aber mein Verhältnis zum Glück hat sich relativiert. Wie zum Trost fand ich in den folgenden Tagen auf den Spaziergängen mit dem Hund viele vierblättrige Kleeblätter und habe mich über jedes einzelne gefreut. Das Geld hätten wir inzwischen längst ausgegeben, aber so bin ich heute immer noch glückliche Besitzerin von 42 getrockneten Glücksbringern. Man muss auf seinen Wegen halt nur ein bisschen die Augen offen halten, das Glück lauert überall, und meistens hängt es von einem selbst ab, ob eine Situation in Hochstimmung bringt oder frustrierend wirkt. Wenn ich beispielsweise in einem voll besetzten Restaurant sitze und plötzlich von Darmgasen gequält werde, kann ich entweder sauer darüber werden, dass ein schusseliger Gast die Eingangstür offen gelassen hat und ich auch noch im Durchzug sitze, oder glücklich, das Thema schnell vom Winde verweht ist.
Was hab ich mich früher darüber geärgert, dass die Bahnbistros um 23 Uhr geschlossen werden und ich nach einem langen Arbeitstag auf der Fahrt nach Hause auf dem Trockenen saß. Mein Zug fährt erst um 00.24 Uhr. In der Nacht, als ich auf den allerallerletzten Drücker zum Bahnhof gehastet kam, hatte er Verspätung. Statt wie üblich sauer zu werden, dachte ich, was für ein Glück, ich hätte ihn bestimmt knapp verpasst, und das wäre dramatisch geworden, denn es ist der letzte Zug nach Hause. Schon fasste ich meine Situation heiter auf, ich flitzte noch schnell zum Kiosk, kaufte eine Dose Bier und nutzte die Wartezeit, um meine Tagesfreuden zusammenzuzählen. Ich hatte einen guten Job gemacht, es hatte keinen Streit unter den Kollegen gegeben, im Gegenteil, sie hatten an meinen Geburtstag gedacht und mir kleine Geschenke mitgebracht, wir hatten nach der Arbeit noch beim Türken zusammen einen kleinen Imbiss eingenommen, der mehr Knoblauch enthielt, als ich das ganze Jahr über verbrauchte, aber trotzdem verdammt lecker war, kurz und gut, ich hatte allen Grund, glücklich zu sein, und war es dann auch, als hätte ich einen Schalter umgelegt. Mit einem fröhlichen »Guten Abend« auf den Lippen betrat ich das Bistro-Abteil, in dem drei Männer saßen, jeder stumm in seiner Sitzgruppe und in den eigenen Durst versunken. Ich installierte mich in einer eigenen Sitzgruppe, betrachtete meine Taschen und Tüten, freute mich und beschloss, nichts anderes zu tun, als mich die Fahrt über in aller Ruhe weiter zu freuen. Das herrliche Gefühl breitete sich von den Haar- bis zu den Fußspitzen aus und beim nächsten Halt war ich schon völlig durchgefreut. Ich holte mir den Aschenbecher, den das Servicepersonal vergessen hatte wegzuschließen, und mir fiel ein, dass ich den ganzen Tag über nicht geraucht hatte. Als leiser Ärger darüber aufsteigen wollte, dass ich jetzt wieder damit anfangen wollte, wurde der von der Freude quasi überrollt, mundtot gemacht, denn sie verkündete – keinen Widerspruch duldend – es sei jetzt besser, sich über die rauchfreien Stunden zu freuen. Basta! Ich drehte mir eine. Vom vielen Freuen war mir warm geworden, ach was, ich glühte förmlich, lockerte meinen Schal und fragte mich, ob das nicht eher mit dem Doppelkorn zu tun haben könnte, den ich nach dem Essen getrunken hatte, um den Knoblauch in Schach zu halten. Falls das zuträfe, hätte man meinen Zustand als Kornglühen bezeichnen können, im Gegensatz zum Alpenglühen, das ja bekanntlich vom Enzian kommt. Ich zündete die Zigarette an und bemerkte laut, jetzt fehlt eigentlich nur noch etwas zu Trinken, und bevor das so oft gehörte Gejammer über das geschlossene Bistro losgehen konnte, zückte ich meine Dose Bier und sagte: »Ich würde sofort teilen, wenn es Gläser gäbe.« Ohne zu überlegen, stand einer der Männer auf, machte sich an der Bistro-Verkleidung zu schaffen und meinte, das haben wir gleich. Er griff seitlich um die Sichtfensterabsperrung herum und versuchte mit langem Arm, eins der dort hängenden Gläser zu erwischen. Das sah im ersten Moment Erfolg
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