Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
die Erlebnisse der Fahrt, gegen vier Uhr fühlte ich mich vom Glück beseelt und schlich mich ins Bett, um es mit meinem Mann zu teilen. Der erwachte auch, aber nur ganz kurz, denn sofort schlug ihn meine Knoblauchfahne k.o.
ER Glück
Das Glück gleicht dem Balle, es steigt nur zum Falle, sagt der Volksmund. Du sitzt im warmen Zimmer, ein Glas Wein, schöne Musik, du liest das neue Buch deines Lieblingsautors, oder du sitzt mit zwei Kumpels vor dem Fernseher, dein Verein liegt vorne, jedenfalls bist du glücklich. So lange, bis du diese Stimme hörst: »Schatz, im Schlafzimmer kommt Wasser durch die Decke!«
Oder du bist im Bett mit deiner neuesten Zufallsbekanntschaft, hast sie gerade zum vierten Orgasmus gebracht, da klingelt ihr Handy. »Ach du bist’s, nein, du störst nicht. Nein, ich bin nicht allein, nee, kennst du nicht, wer? Nein, der doch nicht, wer? Schon lange nicht mehr, hör auf zu raten, wer? Nein, schön wär’s.«
Wir wollen nicht begreifen, dass wir Glück nur mit einer Begrenzung nach vorne und hinten erleben.
Die beiden beschriebenen, abrupt beendeten Glückszustände könnte man als Glücksgefühl bezeichnen, oder Wohlfühlglück, wie Wilhelm Schmid es nennt, der auch gleich das englische und französische Wort mitliefert, happiness und bonheur, das Deutsche, auf dessen differenzierenden Wortreichtum viele so stolz sind, kennt nur ein Wort für Glück, das nun sehen muss, wie es mit seinen verschiedenen Bedeutungen klarkommt, nämlich dem Glück im Sinne von Schwein gehabt, sei es der Sechser im Lotto oder die Tatsache, dass im Zuge der innerbetrieblichen Rationalisierung nicht ich auf der Straße sitze, sondern der Kollege. Der Engländer nennt es luck. Und dann gibt es diese ganz verwaschene Bedeutung, die wir im Märchen immer beim Happy End finden, sie lebten glücklich und zufrieden und wenn sie nicht gestorben sind ... Was bedeutet das? Nichts. Es sagt aus, dass im Moment die Lebensumstände objektiv günstig sind, theoretisch könnte man sich am Stück freuen, glücklich sein, aber genau das funktioniert nicht, weil noch so glückliche Umstände uns nicht daran hindern, uns von Zeit zu Zeit schlecht zu fühlen. Die Psychologie will herausgefunden haben, dass wir uns ca. 60 Prozent unserer Zeit gut fühlen, 40 Prozent mies, völlig unabhängig von unseren äußeren Umständen, dafür sorgt normalerweise unser neuronales System. Man lese dazu vielleicht Solschenizyns »Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch«, das eindrucksvoll beschreibt, wie der Mensch sich noch unter den fürchterlichsten Umständen sein kleines Glück zusammenzimmert. Es sei denn, ich kriege Depressionen, also pathologisches Unglücklichsein, dafür kann man nichts, da hat das neuronale System Scheiß gebaut, das ist Pech. Wichtig innerhalb der ganzen Glücksdiskussion, die schon Heerscharen von Autoren beflügelt hat, ist nur das große Missverständnis: Unbegrenztes Glück ist machbar.
Viele rennen ihr ganzes Leben der Illusion nach, dass es eine Periode nicht endenden Glückes gibt, wenn nur bestimmte Umstände eintreten.
Als Kind sagt man, wenn ich erst groß bin, wird alles toll, dann, wenn ich erst eine Freundin habe, dann, wenn ich erst verheiratet bin, dann, wenn ich erst geschieden bin, dann, wenn ich erst wieder verheiratet bin, wenn ich Kinder habe, wenn wir erst ein eigenes Haus haben, wenn die Kinder erst aus dem Haus sind, wenn ich pensioniert bin, wenn ich es bis ins Bad schaffe, ohne mir in die Hose zu machen. Ich sage nicht, der Mensch soll keine Ziele haben, die können wichtig für sein Selbstwertgefühl sein und ihre Erreichung kann auch mit einem kurzen Glücksgefühl einhergehen. Oft aber auch nicht. Jeder kennt die unerklärliche Tristesse, wenn etwas erreicht ist, das man sich sehr gewünscht hat, sie hat viele Namen bekommen, man spricht vom tiefen Loch, in das man fällt, Bloch nennt sie die »Melancholie des Erreichten«. Udo Jürgens sagt: »Die Sehnsucht stirbt an der Schwelle zur Erfüllung.« Egal, ob ich eine Frau, der ich schon ewig hinterhersteige, rumgekriegt oder einen tollen Job gemacht habe, es läuft immer auf die Zen-Weisheit hinaus: »Der Weg ist das Ziel«, oder wie man in Essen-Krey sagt: »Vorfreude ist die schönste Freude«. Dasselbe sagt man auch in Leer, Köln-Kalk und Mecklenburg-Vorpommern. Gerade in Zusammenhang mit dem soeben erfolgten Beischlaf sagt der Lateiner: Post coitum omne animal triste. Danach sind alle traurig. Mein Glück ist vollkommen nur in dem
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