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Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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gewonnen, auch wenn ich sage: »Sie haben völlig recht und ich habe es schon mit Genuss gelesen«, das macht gar nichts. Dann kommt der ultimative Personaltest: »Haben Sie schon den neuen Frazier?« Gut ist: »Natürlich, ich hol es Ihnen sofort.« O.k. ist: »Das müsste ich Ihnen bestellen, ist aber morgen früh da.« Schlecht ist: »Ist das der Buchtitel oder der Autor?«
    Aber kommen wir zu dem magischen Moment des Kaufentscheids. Wie geht das, was gibt den Ausschlag? Wir reden hier von einem unbekannten Autor, nicht von jemandem, von dem man sowieso alles kauft, Belletristik, also erster Schritt: Der Titel klingt irgendwie gut, der Klappentext macht neugierig, aber die Nagelprobe ist immer eine wahllos aufgeschlagene Seite. Und wenn ich dann an so etwas gerate wie: »Seit sie als Sekretärin der Bundesbank in den Vorruhestand getreten war, hatte sie alle Zeit der Welt, sich ihren beiden Hobbys zu widmen – dem Studium der Geschichte und dem Verführen von jungen, gut aussehenden Studenten. Sie war groß und naturblond, hatte blaue Augen und Silikonbrüste. Im Dungeon, einem Sadomaso-Club in der Düsseldorfer Innenstadt, hatte sie jahrelang als Domina gearbeitet. Einige der Besucher kannte sie als zahlungskräftige Bankkunden ...«, wittere ich schon Lesespaß, weil der Autor offenbar gerne mit überraschenden Wendungen schon innerhalb eines Satzes arbeitet. Okay, ein zweiter Check, Seite 163: Katib blickte Kumar an: »Sie sind Buddhist, nicht wahr?« »Das ist richtig.« »Wann wird Ihr Dalai Lama endlich begreifen, dass er ohne eine gut organisierte Armee nichts ausrichten kann? Anders werden Sie die Chinesen nie aus Tibet vertreiben.« Kumar kannte dieses Argument schon von Arad. Jetzt wollte er mehr darüber hören. »Wollen Sie wirklich keine Rache?«, fragte Katib suggestiv. »Würde es Ihnen nicht Befriedigung verschaffen, dem Feind, der Ihr Leben seit Jahren bedroht und zerstört, eine saubere kleine Kugel zu verpassen und Ihr Land für immer zu befreien?« Diese Vorstellung gefiel Kumar ausgesprochen gut. Zum ersten Mal im Leben hatte er einen klaren Wunsch: Er sehnte sich danach, diejenigen zu erschießen, die dem Dalai Lama das Leben so schwer machten. Arad hatte ihm beigebracht, wie das ging, und Katib schürte seine Lust darauf. Der Nahe Osten fing an, ihm zu gefallen.« So wie mir dieses Buch, es heißt: »Der überaus großartige ultimative Nahost-Friedensplan« und stammt von Eran Katz, dem ich an dieser Stelle dafür danke, dass er mir eine halbe Seite Arbeit erspart hat.
    Sie haben vielleicht schon mal im Rahmen einer Weinprobe an einer Blindverkostung teilgenommen. Man trinkt einen Wein, den man nicht kennt, und beantwortet Fragen dazu, z. B. welches Land, welche Traube, was kostet die Flasche. Das spiele ich mit Büchern. Jeder Gast bereitet sich zu Hause vor, schreibt ein oder mehrere Zitate aus Büchern seiner Wahl auf und die anderen müssen Fragen zu der Textstelle beantworten: Welche Nationalität hat der Autor, oder ist es eine Autorin, von wann stammt das Buch, das wievielte Buch des Autors ist es, wo spielt es usw. Ein Beispiel:
    »Ein Körper ohne Muskeln – wie eine weiße Schnecke. Isadora war besonders schlimm, aber eigentlich waren alle Frauen so, jedenfalls nicht viel besser, nicht einmal Martina. Diese schlaffen Extremitäten – nicht zu vergleichen mit Männerbeinen, Männerarmen. Diese duftlosen Körper – bis auf den Gestank zwischen ihren Beinen. Überhaupt das weibliche Geschlechtsteil – Haare, Schrumpeliges und ein tiefes rotes Loch – und hinterher fühlte es sich an wie zerkochte Nudeln.« Na, was glauben Sie? Ich wette, Sie tippen auf einen englischsprachigen Autor der Achtzigerjahre. Tatsächlich stammt die Stelle aus Karen Duves Erstling »Regenroman« von 1999, drastisch, spannend, verstörend und gar nicht witzig, aber das kann sie auch, wie die späteren Bücher zeigen.
    Wenn meine Gäste dann im Laufe des Abends die Toilette besuchen, werden sie mit einer besonderen Form der Bibliothek konfrontiert. Sie besteht aus Häppchenbüchern, wie ich sie genannt habe, unterhaltsame Nachschlagewerke mit nutzlosen, aber interessanten Fakten. So findet man auf Seite 95 des Lexikons der Geschmacklosigkeiten Folgendes: 1984 fand die argentinische Polizei Menschenknochen unter einem Gebäude in Buenos Aires, in dem Teufelsanbeter wohnten. Es waren die Überreste des 19-jährigen Carlos Sanchez, der als vermisst gemeldet war. Die Bewohner des Gebäudes gaben an, dass sie

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