Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
für den Kampf. Niemals würde er zurückbleiben. Er war alt genug, und er wollte den Kriegern beweisen, dass er würdig war, in ihre Kreise aufg e nommen zu werden.
Adlerfedern, an Kriegslanzen geknüpft , wehten im Nach t wind. Neben ihm lag ein Schild, das man mit der dicken Nackenhaut eines Bisons bezogen hatte, darauf glänzte die Axt im Feuerschein, mit der er heute zum ersten Mal die Schädel seiner Feinde spalten würde. Nocona b e trachtete den Schnitt an seiner Daumenwurzel, den er sich an der scha r fen Schneide zugezogen hatte.
„Wem man mit einer solchen Waffe den Schädel spaltet“, hatte sein Vater ihm erzählt, „der stirbt sofort und so schnell, dass der Geist manchmal noch tagelang umherirrt, weil er nicht begreifen kann, dass sein Körper tot ist. Aber einmal gab es einen weißen Trapper, der mit der Axt im Schädel einfach weitergelaufen ist. Am Ende hat er sich die Waffe selbst aus dem Gehirn gezogen und den Brei von der Klinge g e wischt, bevor er starb.“
Nocona war nicht sehr wohl, als dazu passende Bilder durch seinen Geist zuckten. Er zog di e Beine an, legte die Arme um die Knie und konzentrierte sich auf Mahtowins Stimme. Die Wärme der Fla m men kroch über seinen Körper, der bis auf einen Lendenschurz aus Gabe l bockleder nackt war.
„Erst das Pferd“ , erzählte die Medizinfrau, „hat die Nunumu zu dem gemacht, was sie sind. Unsere Vorfahren gaben ihm den Namen Büffe l hund, weil sein struppiges Fell an räudige Hunde erinnerte und seine Gestalt an einen jungen Büffel. Sie töteten und aßen die Pferde, weil sie noch nicht ahnten, welche Kraft in ihnen verborgen lag. Doch als der erste Nunumu eines von ihnen zähmte und mit ihm über die Prärie ritt, wu r de das Band geknüpft, das für uns heute heilig ist. Die Pferde legten unserem Volk den Wind zu Füßen. Sie befreiten uns. Denn mit ihnen konnten wir jagen, so schnell wie die Wölfe. Wir konnten auf ihren R ü cken fliegen, so weit wie die Adler, und wenn wir unsere Lager abbr a chen, um den Herden zu folgen, mussten wir nicht mehr befürchten, dass die Last zu schwer wurde. Unsere kleinen Zelte wurden größer und prächtiger. Bald konnte eine vielköpfige Familie gut darin leben und im Winter auch die Pferde zu sich nehmen. Wir mussten u n sere Alten und Kranken nicht mehr zurücklassen, wenn wir weiterzogen. Das Land öffnete weit seine Arme für uns, und Stämme, die sich nie zuvor gesehen hatten, begegneten einander. Wir lernten voneinander und gelangten zu immer größerem Wissen und immer größerer Stärke. All das verdanken wir den Pferden. Deshalb schützt sie, als wären es eure Kinder. Dankt ihnen jeden Tag und erinnert euch daran, wie schwach wir einst waren. Wenn sie heute Nacht sterben, ehrt sie wie gefallene Krieger und befreit ihre Seele, so wie ihr die Seelen eurer Liebsten befre i en würdet. Bringt ihre Herzen mit, damit wir sie am Fluss begraben kö n nen.“
Mahtowin verstummte und schloss ihre Augen, ein Zeichen dafür, dass sie heute Abend nichts mehr sagen würde. Gespräche wurden wi e der aufgenommen. Jemand spielte auf einer Flöte, im Gras sangen die Zikaden und vollendeten das Lied, das der Wind und die Ziegenmelker sangen.
„Wir werden sie niederbrennen“, rief ein Krieger. „Nichts wird übrig bleiben. Kein Mann, keine Frau, kein Kind. Lasst uns ihre Saat vernic h ten. Wir sind die Feuersbrunst, die das Land reinigt.“
„Es wird sein“, rief ein anderer, „als hätten sie es niemals g e wagt, ihr Fort auf unserem Land zu errichten. Tod den Haarlippen und ihrer Brut.“
„Mein Messer wartet schon darauf, ihre Kopfhaut abzuziehen.“ Sein Vater ließ die Klinge schwungvoll durch die Luft sirren. Hass verzerrte sein Gesicht, als er sich mit der freien Hand auf die Brust schlug. „Ihr Blut wird die Erde tränken und sie düngen. Dort, wo die Haarlippen unser Land zerstört haben, wird das Gras höher denn je wachsen!“
Noconas Blut begann zu kochen. Oh ja, sie würden den Weißen ze i gen, dass sie sich den Falschen zum Feind genommen hatten. Niemand, der klaren Verstandes war, legte sich mit den Kriegern der Nunumu an. Sie waren die Schrecken der Nacht, die lautlos kamen, den Tod säten und ebenso lautlos wieder verschwanden. Kein Gelbes Haar würde mehr die Erde mit seinen Hacken aufreißen, das Wild vernichten und hässl i che, eckige Hütten bauen. Die Eindringlinge wussten es noch nicht, aber sie waren bereits tot.
Obwohl er keinen Hunger verspürte, füllte er seine
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