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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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musste das Mädchen dazu gebracht haben, es zu glauben … und dann war da ja noch der Junge: Tigwid. Nach dem überraschenden Anruf der kleinen Spiegelgold heute Morgen hatte Bassar die Protokolle noch einmal durchgelesen, in denen die Aussage des Jungen festgehalten worden war. Was er erzählt hatte - von Dichtern, Blutbüchern und gestohlenen Erinnerungen -, hatte doch verblüffende Ähnlichkeit mit dem, was die kleine Spiegelgold am gleichen Tag Bassars Sekretär berichtet hatte.
    Er atmete tief die frische Luft ein. Er musste das Mädchen unbedingt noch einmal verhören und sie, wenn kein anderer Kommissar anwesend war, auf Motten ansprechen. Er war gespannt, wie sie auf ihre einstigen Anschuldigungen reagieren würde. Dann würde er sie fragen, ob der TBK vielleicht der verbrecherische Bund von Zauberern sei, vor dem sie so oft gewarnt hatte.
    Vielleicht lieber doch nicht, dachte er. Das würde zu gehässig klingen. Aber er konnte einfach kein Mitleid für das Mädchen
aufbringen. Er glaubte nicht, dass sie entführt worden war, und er glaubte noch weniger, dass es wirklich eine Terroristenvereinigung gab, die so machtvoll war, wie sie behauptete. Sie verschwieg etwas … und er würde herausfinden, was. Er würde sich auf alles gefasst machen, und wenn es Terroristen mit Drachenflügeln und Schweineschnauzen waren - er würde dahinterkommen.
    Als er den Park verlassen hatte, lief er eine Weile durch die Straßen, lauschte dem friedvollen Lärm der Märkte und beobachtete die geschäftigen Menschen, deren kleine Welten sich hier überschnitten. Dann setzte er sich in ein Café, das er schon oft im Vorbeigehen gesehen hatte, das zu betreten er aber nie gewagt hatte. Es hieß Der Pfefferminzprinz und war ein beliebter Treffpunkt für verliebte Paare, junge Familien und tratschende Tantchen. Seltsam - Bassar hatte die verruchtesten Schänken von innen gesehen, hatte Räuberhöhlen durchsucht, in denen Mord und Totschlag an der Tagesordnung waren, aber er hatte sich bis jetzt nicht getraut, in einen schnuckeligen Gebäckladen zu gehen.
    Er setzte sich an einen Tisch, von dem aus er den Platz draußen im Auge behalten konnte und selbst möglichst unbemerkt blieb. Dann wartete er mit der Bestellung und nahm eine Zigarette aus seinem Etui, ohne sie anzuzünden. Er hatte vor, der Qualmerei endgültig zu entsagen. Na ja, Schritt für Schritt.
    Um drei nach zwölf klopfte jemand gegen die Fensterscheibe. Es war Betty Mebb. Ein eigentümliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Wenig später war sie eingetreten und nahm an Bassars Tisch Platz.
    »Ich möchte mich noch einmal entschuldigen, dass ich Sie hierherbestellt habe«, begann Bassar, doch Mebb legte fröhlich eine schwarze Aktentasche auf den Tisch und bestellte bei dem Serviermädchen Milchkaffee und eine Nussschnecke.
Bassar bestellte Kamillentee und einen Vanillekrapfen, obwohl er nie Tee trank und Vanille nicht ausstehen konnte.
    »Ich dachte nur, was ich mit Ihnen besprechen möchte, sollten wir nicht im Polizeipräsidium besprechen. Wir«, er beugte sich näher zu ihr vor und sprach leiser, »wir ermitteln hier zwar nicht auf eigene Faust … aber ein bisschen schon.«
    »Keine Sorge«, sagte Mebb. »Ich leiste Ihnen in jedem Fall Unterstützung. Und wenn Sie vorhaben, den Zusammenhang zwischen nächtlichen Überfällen und der Leuchtkraft von Glühwürmchen zu ergründen, bin ich dabei.«
    Bassar war so dankbar und erleichtert, dass er keine Worte fand. Mebb erwartete auch keine Antwort. Sie öffnete die Tasche, zog eine Akte hervor und schob sie Bassar zu. »Ich habe mir erlaubt, unserem Fall einen Namen zu geben: Nocturna.«
    Bassar warf ihr einen fragenden Blick zu.
    Mebb grinste. »Nocturna wie Nacht. Nocturna wie Nachtfalter, jene Schmetterlinge, die vornehmlich im Schutz der Dunkelheit aktiv sind. Ganz passend, finde ich. Es ist besser, wenn wir diesen hübschen Decknamen für die Motten benutzen. Niemand soll denken, dass wir an Zauberer oder Magie glauben, nicht wahr?«
    Er öffnete die Akte und fand eine Abschrift von Tigwids Aussage, eine Zusammenfassung der Zeugenaussage Apolonias und zusätzlich mehrere Zeitungsausschnitte, die sie betrafen; außerdem eine Kopie des Reports über den Brand, den sie in der dubiosen Detektei gefunden hatten. Und eine Mappe, auf der Morbus stand.
    »Vor dem Brand in der Buchhandlung hatte Alois Spiegelgold ein Buch aus Morbus’ Sammlung entwendet, hieß es ja in dem Bericht«, erklärte Mebb. »Außerdem sprachen die

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