Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten
Hörer fühlte sich rutschig in ihrer Hand an. »Ich … er hatte Kontakt zum TBK.«
»Fräulein Spiegelgold«, hob der Inspektor an und kam Apolonia lauter vor, »vielleicht wollen Sie trotzdem vorbeikommen und mit mir darüber sprechen. Wir haben noch einige Fragen bezüglich des TBK.«
»Ich habe schon alle Fragen letzte Woche beantwortet!«
»Sie wollen uns doch helfen, nicht wahr?«
»Ich rufe wieder an«, sagte Apolonia mit belegter Stimme und hängte auf. Sie starrte den Apparat wie ein lebendig gewordenes Ungeheuer an.
Er war geflohen. Jetzt wusste sie es mit Sicherheit: Er hatte dazugehört. Der TBK hatte ihm zur Flucht verholfen. Es war wahrscheinlich alles von ihm geplant gewesen - die ganze Zeit über hatte er versucht, sie zum Treuen Bund zu bringen! Und sie hatte auch noch Schuldgefühle gehabt und sich um ihn … Ihre Fäuste zitterten.
Sie lief aus dem Zimmer. Erst allmählich wurde ihr die Tragweite ihres Irrtums bewusst. Wahrscheinlich hatte Tigwid der Polizei irgendetwas über sie erzählt, wieso sonst wollte der Inspektor sie noch einmal sprechen? Sie musste sich konzentrieren. Was hatte Tigwid der Polizei gesagt? Was würde er sagen, um den TBK zu schützen? Sie musste es wissen, bevor der Inspektor sie befragte!
Ihr wurde ganz schwindelig. Sie lehnte sich gegen das Treppengeländer und musste tief durchatmen. Eine tückische Stimme flüsterte ihr zu, dass Tigwid der einzige Freund gewesen war, den sie je gehabt hatte. Aber nein, nein - er war nie ein Freund gewesen, er war ein Lügner, der schlimmste von allen!
Schritte erklangen unter ihr und Apolonia drehte sich um. Morbus trat in die Eingangshalle. »Apolonia, komm! Du musst etwas sehen.«
Sie ließ das Geländer los. »Was denn?«
Morbus war schon halb in einem Korridor verschwunden.
Er lehnte sich zu ihr zurück und lächelte dünn. »Wir haben einen mitgebracht für … dein erstes Buch.«
Bassar verließ das Polizeipräsidium für einen Spaziergang im Park. Bis auf ein paar Hundebesitzer war alles menschenleer. Der Kies knirschte unter Bassars Füßen, als er Spuren in den Schnee setzte. Wie gut tat der Frieden der Natur! Seit der Auflösung von Eck Jargo ging es im Polizeipräsidium noch schlimmer zu als früher, sodass Bassar manchmal sogar das Gefühl hatte, Eck Jargo sei gar nicht aufgelöst worden, sondern lediglich umgezogen. Außerdem belagerte die Presse das Präsidium immer wieder. Nach den vielen Vorwürfen, die die Polizei sich nach den Toten von Eck Jargo hatte anhören müssen, war nun ein regelrechter Regen von Presselob auf sie niedergegangen: Kaum hatte die kleine Spiegelgold von ihrer Entführung und dem längst zerschlagen geglaubten TBK berichtet, waren auch schon die ersten beiden Terroristen geschnappt worden. So schnell hatte die Polizei selten Erfolge erzielt.
Während der Beifall nun auch von den Regierungsoberhäuptern kam, fühlte Bassar sich zunehmend bedrückter. Er, der in allen Zeitungen gepriesen wurde, fühlte sich keineswegs, als würde er in der Verbrecherwelt aufräumen. Zwar waren die Akten, die vor einem Monat aus dem geheimnisvollen Büro sichergestellt worden waren, voller wertvoller Informationen, doch insgesamt hatten sie, anstatt Rätsel zu lösen, nur noch größere aufgeworfen. Bis heute wusste die Polizei nicht einmal, wer für das Büro verantwortlich gewesen war - der Name des Inhabers hatte sich als erfunden herausgestellt. Nein, Bassar leistete keine gute Arbeit. Er folgte lediglich der Spur, die jemand ihm fein säuberlich hinterließ, wie ein Hund, der sich Stück für Stück an einer Wurstkette vorwärtsfrisst.
Aber wer legte die Spur? Und wohin würde sie führen …?
Es gab eine Verschwörung - damit hatte die kleine Spiegelgold recht. Nur ihre Geschichte von Terroristen, die aus reiner Bosheit Kinder entführten, mordeten und Brände legten, konnte Bassar nicht überzeugen. Schließlich hatte er die Akte aus der falschen Detektei, die besagte, dass Alois Spiegelgold den Brand selbst gelegt hatte. Außerdem erinnerte er sich gut an die Märchen, die Apolonia ihm erzählt hatte, bevor sie an die Öffentlichkeit gegangen war. Was war mit den Motten? Hatte sie der Polizei damals einen dummen Streich spielen wollen? Wenn ja, durfte man ihre Behauptungen über den TBK auch nicht ernst nehmen.
Aber ein Gefühl sagte Bassar, dass das Mädchen damals nicht gelogen hatte. Natürlich gab es keine Menschen mit magischen Kräften, das stand außer Frage. Aber irgendetwas
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