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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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kleine Spiegelgold sowie der Junge von Dichtern, und Morbus
ist ein Schriftsteller - ich habe schon ein wenig in der Stadtbibliothek recherchiert. Er hat vier Bücher veröffentlicht. Die Titel habe ich notiert.«
    Bassar überflog die vier Titel. » Der Junge Marinus, Das Mädchen Johanna, Der Junge Severin, Das Mädchen Anne … dieser Morbus scheint nicht mit viel Einfallsreichtum gesegnet.«
    »Dennoch war jedes Buch ein großer Erfolg, er ist längst zu Ruhm und Reichtum gelangt.«
    »Wissen Sie, was auffällig ist?«, bemerkte Bassar. »Offenbar geht es in jedem der Bücher um Mädchen und Jungen - um Kinder. Vielleicht steckt der Schreiber ja hinter den Entführungen, die Beschreibung ›intellektueller Psychopath‹ könnte jedenfalls auf ihn passen.«
    »Und er hat definitiv etwas mit dem Brand in der Buchhandlung zu tun«, fügte Mebb hinzu.
    »Vielleicht gehört er ja zum TBK …« Bassar unterbrach sich, als das Serviermädchen ihnen Gebäck und Getränke brachte. Als sie wieder alleine waren, biss Mebb herzhaft in ihre Nussschnecke und lächelte, wie Bassar sie selten bei der Arbeit hatte lächeln sehen. »Eine gute Wahl von Ihnen, Der Pfefferminzprinz . Es geht doch nichts über eine hausgemachte Nussschnecke.«
    »Nun, zwischen Prinzen und Schnecken schien mir der richtige Ort, um über Zauberer und Motten zu sprechen.« Er klopfte auf die Akte und lächelte ebenfalls. »Ich meine natürlich, über die Nocturna.«
     
    Morbus führte Apolonia in Bereiche des Hauses, die sie noch nie betreten hatte. Nachdem sie eine steile Spiraltreppe hinabgestiegen waren, ging es durch einen nicht enden wollenden Korridor, der immer wieder durch dunkle Doppeltüren unterbrochen wurde. Geheimnisvolle Gravuren waren in das
Holz geschnitzt. Apolonia erkannte die Initialen des Hausherrn und darunter ein kleines, geschwungenes N. , als hätte jemand später noch eine freche Kritzelei hinzugefügt.
    »Wo haben Sie den … Gefangenen hingebracht?«, fragte Apolonia. Morbus öffnete schwungvoll die Türen und antwortete, ohne sich zu ihr umzudrehen.
    »Für unsere Eingriffe habe ich einen speziellen Ort einrichten lassen. Einen ungestörten.«
    »Wie haben Sie die Motte gefunden?«, fragte Apolonia, diesmal leiser, obwohl sie im ganzen Flur alleine waren.
    »Das ist unsere Arbeit, Apolonia. Wir suchen sie. Was glaubst du, was ich sonst in der Stadt zu schaffen habe?«
    Schweigend gingen sie weiter. Der Korridor verwandelte sich in einen katakombenähnlichen Gang mit einer gewölbten Decke, die von Holzbalken gestützt wurde. Vor der nächsten Tür verlangsamte Morbus seine Schritte. Dann öffnete er und sie betraten einen niedrigen Raum mit weiß getünchten Wänden. Es gab kein elektrisches Licht. Nur ein großer Kerzenständer, über und über mit Talgkerzen beklebt, leuchtete auf einem Tisch in der Mitte. Rings darum im Halbschatten standen die Dichter - Manthan, Kastor und Jacobar nickten Apolonia und Morbus zu, Professor Ferol deutete eine Verbeugung an und auch van Ulir und Noor waren anwesend. Aber sie waren nicht allein. Am Tisch saß eine gefesselte und geknebelte Frau.
    Morbus schloss die Tür hinter Apolonia. Natürlich hatte sie gewusst, dass sie hier einen Gefangenen sehen würde. Natürlich hatte sie gewusst, dass es nicht unbedingt ein bärtiger, finster dreinblickender Riese sein würde. Und doch erkannte sie in diesem Moment, dass sie nicht auf die tränenerfüllten Augen eines Mädchens gefasst gewesen war, das nur ein paar Jahre älter war als sie selbst.
    »Lass dich nicht von dem aus der Ruhe bringen, was du
siehst«, murmelte Morbus, als die junge Frau ächzende Geräusche von sich gab und sich so heftig bewegte, wie ihre Position es zuließ.
    »Was will sie mir sagen?«, brachte Apolonia endlich hervor. Ihre Stimme klang fremd im niedrigen Raum.
    »Oh, wahrscheinlich, dass du die Seite wechseln sollst und der TBK ganz und gar unschuldig ist und sie obendrein«, bemerkte Morbus leichthin und setzte eine sorgenvolle Miene auf. »Wir haben absichtlich ein junges und unerfahrenes Mitglied des TBK für dich ausgesucht. Wundere dich also nicht, wenn du noch nicht so viel Grausamkeit in ihr findest. Dafür wird es dir nicht schwerfallen, in ihre Erinnerungen einzudringen und dir ihre Gabe anzueignen.« Sanft schob er Apolonia auf den Tisch zu und drückte sie auf den Stuhl gegenüber dem Mädchen. Vor ihr befanden sich ein aufgeschlagenes Lederbuch mit leeren Seiten, ein Fässchen mit dunkelroter Flüssigkeit

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