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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Tigwid!«
    »Keine Angst. Du musst nicht flüstern.«
    Sie klammerte sich an seinem Arm fest. »Wo sind wir hier? Wie… leuchtest du? Und ich auch! Wo kommt das Licht her?« Sie sah sich in alle Richtungen um, aber natürlich war es finster.
    »Wir sind im Grünen Ring«, sagte Tigwid erschöpft, und ihm wurde klar, dass er im Grunde noch immer keine Ahnung hatte, was der Grüne Ring eigentlich war. »Also, hier gibt es keine Zeit und keinen Raum …«
    »Aber das macht keinen Sinn! Sobald es Materie gibt, gibt es Zeit und Raum, und wir sind Materie.«
    »Entweder ist deine Definition falsch oder wir existieren nicht.«
    Verwirrt schloss Apolonia den Mund. »Und wie kommen wir hier wieder raus?«
    Tigwid drehte sich einmal um sich selbst. Zwar fühlte er sich noch schwach, doch das war nichts im Vergleich zu der Lähmung, die ihn im Kanal ergriffen hatte. »Merkwürdig… eigentlich müsste jemand hier sein, sonst wäre der Grüne Ring doch nicht erschienen. - Erasmus?«, rief er in die Dunkelheit. »Hallo?«
    Es blieb ganz still.
    »Keine Sorge.« Tigwid drehte sich wieder zu ihr um. »Von hier aus können wir überallhin, wohin wir nur wollen. Du musst einfach fest daran denken und dir den Ort vorstellen.«
    Apolonia senkte den Blick und dachte nach. Dann sagte sie
leise: »Morbus und Nevera werden alle Motten des Treuen Bunds nach Caer Therin bringen, um ihnen die Gaben herauszuschreiben. Wir sollten nach Caer Therin gehen. Und es verhindern.«
    Eine Weile sahen sie sich wortlos an. Dann schluckte Apolonia und trat einen Schritt zurück. »Also? Ich muss einfach an die Bibliothek denken und dann sind wir da?«
    Tigwid nickte. Sie schloss die Augen und dachte an Morbus’ Bibliothek. Sie sah die hohen Regale und das runde Kachelmandala auf dem Boden. Sah die verborgenen Glasvitrinen… Sie erinnerte sich an die Stunden, die sie dort mit Morbus verbracht hatte, wie sie miteinander geredet und gelesen hatten …
    Nichts. Keine Tür erschien. Alles blieb still und unverändert. Nach einer Zeit öffnete Apolonia die Augen wieder und sah sich unsicher um.
    »Macht nichts«, sagte Tigwid. »Ich bringe uns einfach in dein Zimmer, ja?«
    Er konzentrierte sich auf das Zimmer, in dem er schon einmal mittels des Grünen Rings erschienen war. Doch es geschah noch immer nichts.
    Er versuchte es wieder, rief sich so viele Einzelheiten des Zimmers in Erinnerung, wie er konnte - aber die Tür wollte und wollte nicht auftauchen.
    Schließlich probierte er es mit anderen Orten: der alten Wohnung des TBK; der Gasse hinter dem Königsfuß . Er rief sogar das Zimmer der Nonne im Waisenhaus herbei, wie bei seinem ersten Mal im Grünen Ring. Nichts kam.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Apolonia angsterfüllt. »Was, wenn wir hier nicht mehr wegkommen?«
    »Lass mich nachdenken. Keiner wusste wirklich was über den Grünen Ring. Nur Collonta konnte ihn lenken. Und Collonta … stirbt in diesem Augenblick.«

    »Und was passiert, wenn er stirbt? Verschwindet der Grüne Ring dann auch? Mit uns darin?!«
    »Nein«, erwiderte Tigwid heftig und verzog nervös den Mund. Apolonia beobachtete ihn ungläubig. Mit einem mutlosen Stöhnen ließ sie sich in die Hocke sinken und fuhr sich durchs Haar. »Schlimmer kann es wirklich nicht werden.«
    Tigwid wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Schließlich ließ er sich ebenfalls nieder.
    Apolonia musste daran denken, was in dieser Nacht alles passiert war… und in den ganzen vergangenen Wochen und Monaten. Ihre Situation hatte sich bis zu diesem Augenblick hin stetig verschlimmert. Das hier war das Ende einer langen Kette tragischer Ereignisse. Nachdem sie alles verloren hatte, ihre Familie, ihr Heim, ihr gutes Gewissen… würde sie schließlich im Dunkel des Universums verloren gehen. Ihr Leben war von Verlust bestimmt worden, in ihrem Tod sollte es wohl nicht anders sein.
    Tigwid berührte verzagt ihre Schulter, als sie schluchzte, doch sie wehrte seine Hand ab.
    »Schon in Ordnung«, murmelte sie und wischte sich die Nase an ihrem kostbaren Kleid ab. »Jetzt ist sowieso alles vorbei. Morbus und Nevera haben den Treuen Bund wahrscheinlich schon nach Caer Therin gebracht und eignen sich gerade ihre Gaben an. Wir könnten sowieso nichts mehr gegen sie ausrichten. Und wenn schon. Ich habe genug von ihnen allen.«
    Tigwid sagte nichts. Dann machte er die Augen schmal. »Du hattest recht… unsere Gaben sind etwas Böses. Sie haben uns alle ins Verderben gestürzt. Selbst Collonta hatte Pläne

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