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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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sei allein die Erwähnung einer Angestellten ungeheuerlich, doch sie schwieg.
    Das Dienstmädchen kehrte mit einem Tablett zurück. »Madame, Ihr Frühstück.«
    »Oh!« Nevera strahlte. »Stell es auf den Tisch dort. Apolonia, du darfst schon anfangen. Und Sie da, brauchen Sie mich noch lange?«
    »Nein«, murmelte der Schneider, der instinktiv den verbrannten Kopf einzog. »Ich kann das Kleid auch so fertig nähen, denke ich.«
    »Fein. Anna, hilf mir beim Umziehen.« Nevera und das Dienstmädchen verschwanden hinter einem Paravent, und wenig später trat Nevera, in einen karamellfarbenen Morgenrock gehüllt, wieder hervor. Mit einem wohligen Seufzen ließ sie sich auf den Stuhl sinken und nippte an dem Tee, den das Dienstmädchen ihr eingeschenkt hatte.
    »Also.« Behutsam stellte sie ihre Tasse wieder ab, legte die Serviette auf ihren Schoß und nahm sich ein Croissant. »Wir müssen noch überlegen, was wir dir schneidern lassen. Ich dachte an ein Kleid in … Rosenrosa .«
    Apolonia gelang nur ein Mundzucken. »Eigentlich wollte ich Trauer tragen.«
    »Um wen?«
    »Meine Mutter.« Und meinen Vater, dachte sie. Sein jetziger Zustand war schlimmer als tot.
    »Apolonia, das ist fast neun Jahre her! Ich kann nicht zulassen, dass du herumläufst wie ein Leichenbestatter. Und keine Widerrede!«
    Apolonia musste fest die Zähne zusammenbeißen, um ihre Wut zu verbergen. Nie, nie hätte früher jemand gewagt, ihr den Mund zu verbieten. Aber jetzt war alles anders und sie musste ihrer Tante und ihrem Onkel dankbar sein und brav
zu allem nicken. Sie fühlte sich so erniedrigt, dass sie unter dem Tisch ihre Fingernägel tief in die Handflächen grub.
    »Liebes, du bist jetzt siebzehn und in Gedenken an deine Mutter und meine liebe Schwester: Sie war nur ein Jahr älter, als sie deinen Vater heiratete.«
    »Ich bin fünfzehn«, erwiderte Apolonia.
    Nevera hielt im Kauen inne und lächelte mit verschlossenen Lippen. »Natürlich, Gott sei Dank. Dann haben wir ja noch ein paar Jahre, um aus dir eine kleine Schönheit zu machen. Apropos Schönheit: Beug dich zu mir vor, Liebes.«
    Apolonia zögerte, als Nevera die langen Finger nach ihr ausstreckte, doch dann gehorchte sie und beugte sich vor. Zu ihrer Überraschung kniff Nevera ihr fest in beide Wangen.
    »Aua! Was -«
    Nevera lehnte sich zurück und musterte Apolonia, die sich die Backen rieb. »Hm. Du bist ein bisschen blass, Apolonia. Aber wusstest du, dass ein Mädchen gleich ganz anders aussieht, wenn es ein bisschen Farbe im Gesicht hat?«
    »Ich kann es mir vorstellen«, knurrte Apolonia. Wer sah nicht anders aus mit zwei großen blauen Flecken auf den Backen!
    »Du wirkst auch etwas verschlafen. Vielleicht solltest du früher ins Bett gehen, damit du nicht mehr diese grässlichen dunklen Ringe unter den Augen hast. Wie heißt es so schön? Ringe sollte eine Dame nur an den Fingern tragen!« Dabei betrachtete Nevera liebevoll die goldenen Schmuckstücke an ihren Händen. Apolonia nahm einen Schluck von ihrem Tee.
    »Ich habe in der Tat nicht viel geschlafen«, erwiderte sie knapp, und Nevera blickte von ihren Ringen auf.
    »Warum? Nein - lass mich raten. Natürlich warst du aufgeregt wegen des heutigen Tages. Aber du brauchst überhaupt keine Angst zu haben. Du wirst fantastisch aussehen, und ich
werde mich darum kümmern, dass du auf dem Fest der Creme de la Creme vorgestellt wirst, versprochen.«
    »Um ehrlich zu sein«, sagte Apolonia trocken, »habe ich ein Buch gelesen.«
    »So?« Neveras Gesicht verschwand hinter ihrer Teetasse. »Ich hoffe, es war deine Augenringe wert …«
    »Es war ein außergewöhnliches Buch, nein, viel mehr. Es war …« Apolonia verstummte. Zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, fehlten ihr die Worte, und sie wusste nicht, wie sie ihr Inneres zum Ausdruck bringen sollte. Eine Weile schwieg sie verdutzt über diese Erkenntnis.
    »Und welches Buch war so fesselnd?«
    »Es hieß Das Mädchen Johanna von Jonathan Morbus.«
    »Jonathan!« Ein Leuchten erschien in Neveras Augen. »Wie erfreulich. Er ist heute Abend einer unserer Gäste.«
    »Tatsächlich?« Apolonia konnte sich plötzlich nicht vorstellen, dass der Verfasser des Buches ein Mensch aus Fleisch und Blut war - und dass sie ihn kennenlernen würde! Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Vielleicht würde die Feier doch nicht so langweilig, wie sie befürchtet hatte.
    »Nun.« Nevera wandte sich zu dem Schneider um, der gerade die letzten Perlen an ihr Kleid nähte. »Ich

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